: Schlagabtausch in der Koalition
Geplante Einführung des Mehrzweckschlagstocks bei der Polizei gefährdet den Koalitionsfrieden. PDS ist strikt dagegen, selbst die SPD fühlt sich überrumpelt. Grüne fordern Expertenanhörung
VON PLUTONIA PLARRE
Ganz so einfach, wie Polizeipräsident Dieter Glietsch gehofft haben mag, geht die Einführung des asiatischen Mehrzweckstocks „Tonfa“ für die Berliner Einsatzhundertschaften nicht über die Bühne. Selbst in den Regierungsfraktionen ist das Vorhaben mehr als umstritten. Die PDS hält es für „völlig unsinnig“. Die SPD fragt erstaunt „warum, nachdem es all die Jahre keine Notwendigkeit gab?“
Auch aus der Opposition gibt es massive Kritik: Die Grünen lehnen das Vorhaben strikt ab. Die FDP ist zwar dafür, aber nur, wenn das Bundesinnenministerium die gesamten Kosten übernimmt. Dieses wird aber lediglich 400 von insgesamt rund 2.200 Knüppeln bezahlen. Einzig die CDU ist auf Linie des Polizeipräsidenten. Als sicher gilt indes, dass das Thema den parlamentarischen Innenausschuss beschäftigen wird – wohlmöglich sogar in Form einer von den Grünen geforderten Expertenanhörung.
Ob sich der Tonfa noch stoppen lässt, ist allerdings fraglich. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kann den Antrag des Polizeipräsidenten mit einem Federstrich absegnen. Über seine Sprecherin ließ er verlauten, dem Gesuch positiv gegenüberzustehen. Die rund 2.200 Beamten der Berliner Einheiten sind bundesweit die Einzigen, die den Tonfa noch nicht haben.
Die Waffe ist deshalb so begehrt, weil man mit ihr nicht nur schlagen und stoßen, sondern auch hervorragend Festnahmen tätigen und Eigensicherung betreiben kann. Seinen Antrag hat Glietsch mit den positiven Erfahrungen der anderen Bundesländer mit dem Mehrzweckstock „als defensivem Einsatzmittel“ begründet.
Experten warnen indes davor, dass der aus starrem Material bestehende und mit einem rechtwinkligen Griff versehene Stock bei unsachgemäßer Handhabung zu schwersten Verletzungen, wenn nicht zum Tod führen kann. Das ist auch der Grund, warum sich die Polizeiführung in der Vergangenheit der gewerkschaftlichen Forderung nach Einführung des Tonfa widersetzte. „Die Berliner Polizei ist hinreichend ausgerüstet. Wir brauchen diese Waffe nicht“, hat der frühere Chef der Schutzpolizei, Gernot Piestert, seine Haltung am Freitag in der taz bekräftigt.
Nicht einmal die eigene SPD hat Körting über Glietschs Antrag informiert, geschweige denn die PDS. Sie sei von der Nachricht in der Presse „überrascht worden“, zeigte sich Heidemarie Fischer, innenpolitische Sprecherin der SPD gestern verschnupft. „Ich möchte die Beweggründe hören. Das ist ein Politikum.“ Die innenpolitische Sprecherin der PDS, Marion Seelig, fühlt sich regelrecht überrollt. „Das ist eine einschneidende Angelegenheit, die unserem Verständnis von innerer Liberalität und Konfliktlösung widerspricht.“ Die PDS sehe keine Notwendigkeit für den Tonfa. Das erforderliche regelmäßige Training mit dem Schlagstock sei zudem kaum zu leisten. „Die Einheiten werden für die Arbeit der Schutzpolizei gebraucht.“
FDP-Innenexperte Alexander Ritzmann hat keine inhaltlichen Bedenken. Er droht aber, den Tonfa abzulehnen, wenn der Bund finanziell nicht in die Bresche springt. „Es gibt bei der Polizei dringendere Baustellen.“ Der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, begründet seine Ablehnung so: Die Einheiten hätten zwar nicht mehr den Ruf der Prügelknaben, aber: „Gelegenheit macht Diebe.“
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