: Gerhard Schröder und der Horror
New Economy im Masken-Business: Die „Metamorph GmbH“ verkauft Masken und Verkleidungen auf der ganzen Welt und in einem Laden in Mitte. Nicht nur an Theater. Manchmal helfen Hasenzähne auch als pädagogische Maßnahme
Wenn Georg Markus Dittrich mit den Fingern über die Haut streicht, dann lächelt er zufrieden. Zart fühlt sie sich an, elastisch und ein bisschen wabbelig. „Das ist eine besonders weiche Schaumlatexmischung“, erklärt der 24-Jährige und schwärmt vom „tollen Tragekomfort“ und der „fantastischen Elastizität“ der Produkte, die er als einer von zwei Gesellschaftern verkauft.
Es geht um Masken. Aber um keine billigen Gummiwaren. Die Fabrikate, die in der Oranienburger Straße 46 wie in einer Kunstinstallation an den Wänden hängen, schauen erschreckend realistisch aus. Das demonstriert Normen Welz, der im Laden als Verkäufer arbeitet, gerne persönlich. Er nimmt die Brille von der Nase und eine der Masken vom Ständer. Er zieht sie sich über den Kopf. Dann ist Normen Welz verschwunden. Zumindest hat er ein neues Gesicht bekommen. Als er zu reden beginnt, bewegen sich die Lippen. Fast die gesamte Mimik wirkt auf die Maskierung. Verblüffend.
„Durch das enge Anliegen werden Hohlräume vermieden, in die man hinein atmen könnte.“ Georg Markus Dittrich spult seinen seinen PR-Text ab. Später gesteht er, dass er überhaupt kein „Verkleidungs-Fanatiker“ ist. Vielmehr studiert er Informatik und ist ein cleverer Geschäftsmann. Sein Kompagnon Roman Matthesius, der mit seinen 25 Jahren ebenfalls jung ist, hat die Firma gegründet. Er hat eher einen Hang zur Kostümierung. Denn er besucht in Berlin eine Schauspielschule.
Als Schüler sah Roman im Urlaub mit seinem Bruder Victor Touristen in einem Café, die mit Masken herumliefen. Kurzerhand fragten die Brüder den Straßenhändler nach deren Herkunft. Der wollte das den jungen Kerlen aber nicht erzählen. Damit hätte er sein Betriebsgeheimnis verraten. Das hat Roman sich gemerkt. Wo der Urlaub stattgefunden hat, wird heute nicht verraten. Über Umwege konnte er schließlich Kontakt zu dem Künstler herstellen, der die Masken fertigte – „irgendwo in Osteuropa“. Daraus entstand eine freundschaftliche Beziehung und am Ende die „Metamorph GmbH“, die mittlerweile Fachhändler auf der ganzen Welt beliefert. „Wie Künstler so sind, will auch unser Künstler anonym bleiben und seinen Namen nicht nennen“. Ein anderes Geheimnis in der Maskenfirma. Verschleierung bekommt diesem Geschäft.
Als Romans Bruder Victor 1999 ausstieg, kam Georg Markus, der die beiden Geschwister „seit dem Buddelkasten“ kennt. Alle drei stammen aus Köpenick. Dank Georgs Computerkenntnissen wird eine Internet-Plattform (www.maskworld.com) installiert, auf der die Kundschaft seither das Angebot sichten und ordern kann. Außerdem testet man die Wirkung der Masken auf großen Volksfesten wie dem Berliner Weihnachtsmarkt. Der Showroom auf der Oranienburger Straße bietet außerdem die Möglichkeit, die Ware „Galerie-artig“ und „Ausstellungs-mäßig“ zu präsentieren. Da diese Straße offiziell als Touri-Meile gilt, ist der Laden sogar bis 22 Uhr geöffnet.
Zurzeit wird die erste Etage des Hauses ausgebaut: Ein eigens eingestellter Maskenbildner soll sich dort um die Entwicklung neuer Motive kümmern. Im Moment sei „Gerhard Schröder“ sehr gefragt, aber auch Grusel- und Horrormasken aus Filmen wie dem „Herrn der Ringe“. Produziert wird in Osteuropa und in Südostasien, wo die Betriebskosten niedrig und die Rohstoffversorgung mit Latex günstig ist. Der internationale Erfolg hat zu einer Erweiterung des Sortiments mit Perücken und Kostümen geführt.
Normen Welz weiß für jedes Produkt eine passende Geschichte. Er erzählt beispielsweise, dass eine „gute Freundin“ von ihm gerade Mutter geworden ist, die ihr Kind „total verhätschelt“ und ihm „immer so süße Sachen anzieht“. Da hat Normen ihr einfach einen Schnuller aus dem Laden geschenkt. Auf dessen Vorderseite sind zwei riesig große Hasenzähne platziert, mit denen das Baby jetzt gar nicht mehr niedlich aussieht, sondern „verdammt lustig“.
Normen plaudert auch von den Theatern, die ihre Produktionen regelmäßig mit Masken auszustatten. Aktuell haben die „Wühlmäuse“ eine Bestellung aufgegeben, die Schaubühne interessierte sich einmal für ein Gebiss. Man hatte die Wahl zwischen Dracula-Beißern, schrägen Hauern und verfaulten Zahnstummeln. Dabei sorgt ein Zwei-Komponenten-Silikon für eine realistische Prothese. Verbinden sich die zwei Materialen der Abformmasse auf der Rückseite, härten sie langsam aus. In dieser Zeit kann man einen Abdruck mit den eigenen Zähnen machen. Das Gebiss passt, man kann sprechen und trinken. Das ist immer noch billiger als einen Zahntechniker zu beauftragen.
„Gerade haben wir Masken von einer schwedischen Theaterproduktion zurückbekommen“, fällt Normen ein. Damit sollte auf der Bühne der Effekt erzielt werden, dass eine Gruppe von Schauspielern in einer Szene plötzlich völlig gleich aussieht. Normen eilt ins Lager, um auch diese Maske vorzuführen. Nach einer Weile kommt er zurück – und hat sich in einen alten Mann verwandelt. OLIVER RUF
Eine Maske gibt es für circa 30 Euro bei der „Metamorph GmbH“, Oranienburger Straße 46, 10117 Berlin, und unter www.maskworld.com
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