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Den Frauen vertrauen

In China wird mächtig investiert, um bei den Spielen 2008 in Peking ordentlich Medaillen scheffeln zu können, doch schon in Athen präsentiert sich das zu zwei Dritteln weibliche Team bärenstark

AUS ATHEN ANDREAS MORBACH

Ein bisschen sah es aus wie bei Schneewittchen und den 400 Zwergen. Yao Ming marschierte als 2,26 Meter großes und sehr kräftiges Schneewittchen mit der chinesischen Flagge vorneweg, und dahinter folgte die riesige Schar seiner zwei Köpfe kleineren Kolleginnen und Kollegen. Und das Bild, das die Chinesen bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele am Freitag abgaben, verdeutlichte sehr anschaulich den aktuellen Zustand des Sports im Reich der Mitte: Voran schritt als lebendes Ausrufezeichen der turmhohe NBA-Star Yao mit der Landesfahne, die in seinen Händen winzig wie ein Zahnstocher wirkte. Und dahinter kamen in breiter Front all die eifrigen Medaillensammler aus dem Riesenland daher.

Mit welcher Präzision die Regierung in Peking die nächsten Sommerspiele vorbereitet, macht schon die Zusammensetzung der aktuellen Olympia-Mannschaft deutlich: Fast zwei Drittel von Chinas 405 Athleten in Athen sind weiblich. Warum das so ist, macht Li Furong, der Chef de Mission des chinesischen Teams, in einem schnörkellosen Satz deutlich. „Frauen“, erklärt der Sportfunktionär trocken, „sind im täglichen Training leichter zu managen.“ Man merkt: Lang ist es nicht mehr hin bis zur Olympia-Ausgabe 2008 in Peking, die China, schon aus Sydney mit 28 Goldmedaillen und Platz drei in der Nationenwertung abgereist, zu einer monströsen Demonstration der eigenen sportlichen Stärke nutzen will.

In den ersten drei Olympia-Tagen sah es allerdings schwer danach aus, als seien die Asiaten ihrem generalstabsmäßig angelegten Plan um vier Jahre voraus. Zehnmal Gold hatte China bis zum Montagabend bereits abgeräumt, lag klar an der Spitze des Medaillentableaus. Li Furong kommentierte den ansehnlichen Zwischenstand gestern allerdings sichtlich unaufgeregt: „Wir haben in den Disziplinen, in denen wir gut sind, unsere Leistung gebracht. Jetzt sehen wir weiter.“

Da stand er gerade mit Ulrich Feldhoff, dem Chef des Bundesausschusses für Leistungssport im Deutschen Sportbund, an der Kanuslalom-Strecke im Süden Athens und sprach dem Kollegen aus Deutschland in Sachen Medaillenzählen Mut zu. „Die Chinesen“, weiß Feldhoff jetzt, „halten uns immer noch für den schärfsten Konkurrenten beim Kampf um den dritten Gesamtplatz.“ Den hat Ulrich Feldhoff vor dem Start in die Spiele als das Ziel der deutschen Delegation ausgegeben. Und bislang sieht der Mann mit der Reibeisenstimme trotz enttäuschender Ergebnisse der Schwimmer, Schützen und Radfahrer keinen Grund, die Vorgabe zu revidieren. „Platz drei“, sagt der 66-Jährige aus Oberhausen, „ist absolut noch im Bereich des Möglichen.“

Die Chinesen denken da schon weiter. Stärkste Nation weltweit wollen sie 2008 sein, heißt es. Li Furong winkt allerdings ab: „Von einem solchen Plan habe ich noch nie gehört, das war noch nie unser Ziel.“ Fest steht jedoch, dass das bevölkerungsreichste Land der Welt alles unternimmt, um in vier Jahren das Maximum an sportlichem Erfolg aus sich herauszupressen. Deshalb hat Chinas NOK jetzt ganz gezielt junge Sportler nach Athen entsandt, die Erfahrung sammeln sollen für das Mega-Fest in vier Jahren. Die Hälfte des Athen-Teams, so der Plan, soll 2008 in Peking wieder am Start sein. Und natürlich gibt es bei dieser offensiven Sportpolitik auch Opfer. So mussten Topstars wie die Turmspringerin Li Na oder der Badmintonspieler Xia Xuanze zu Hause bleiben.

Doch die Chinesen verfolgen nicht nur in Fragen des Alters und des Geschlechts eine klare Linie. Auch bei den Sportarten überlässt die KP-Führung nichts dem Zufall. Während das Niveau bei traditionell starken chinesischen Disziplinen wie Wasserspringen, Gewichtheben oder Tischtennis gehalten wird, werden Bereiche wie etwa die Leichtathletik, in denen China der Weltspitze bislang hinterherhumpelte, mit großem finanziellem Aufwand gefördert. Auf dass die Medaillenflut im Jahr 2008 aus möglichst vielen zuverlässigen Rohren gespeist wird.

In Athen geben sich die Gastgeber der nächsten Sommerspiele, die zum Studium der Organisation eine große Zahl von Experten nach Griechenland geschickt haben, trotz des beeindruckenden Starts schön bescheiden. „Mit etwas mehr als 20 Goldmedaillen wären wir zufrieden“, sagt Delegationschef Li Furong. In vier Jahren wird das dann etwas anders klingen.

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