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berliner szenen Arbeitsamt Lichtenberg

Hartz IV goes Wagner

„Ich komme mit einem überraschenden Anliegen. Ich möchte mich arbeitslos melden“, versucht der Historiker heute einmal witzig zu sein. Doch im Plattenbau des Arbeitsamts Gotlindestraße 93 versteht man keinen Spaß. „Ausfüllen! Raum 570!“, herrscht ihn die Dame hinter dem Tresen mit der Aufschrift „Nicht auflehnen!“ an.

Es ist tatsächlich kein Witz. Wie zum Hohn müssen arbeitslose Akademiker, die im nördlichen Stadtteil Wedding wohnen, nicht etwa in das nahe Arbeitsamt an der Müllerstraße, sondern haben eine halbe Tagesreise ins ferne Lichtenberg anzutreten. Also in jenen östlichen Bezirk, in dem der Legende nach fast nur Nazis wohnen und in den man freiwillig keinen Fuß setzen würde.

Kein Scherz: Als wolle die Hauptstadt ihren unnützen Essern und eingebildeten Schmarotzern von der Uni zeigen, wo der Hammer hängt, heißen alle Straßen im Umfeld der aufzusuchenden Behörde nach Figuren aus der germanischen Sagenwelt: Hagenstraße, Guntherstraße, Wotanstraße – Hartz IV goes Richard Wagner!

Und schon auf der Siegfriedstraße bestätigt sich das Vorurteil. Dem Historiker kommen nur noch bullige Skinheads entgegen. In der linken Hand die Plastiktüte voller Pilsflaschen, in der rechten die Leine mit dem wütend zerrenden Kampfhund. Ihr Blick sagt: „Guck doof, Zecke, und ich lass den Köter los!“

„Sie arbeiten also in einem Verlag. Dann könnense sich ooch nüscht arbeitslos melden!“, teilt schließlich die Sachbearbeiterin dem Historiker böse mit. – „Davon kann ich nicht leben. Dann mache ich eben gar nichts mehr. Ich brauche Sozialhilfe!“ – „Det kommt janz druff an, wie det Sozialamt det sieht! Hier kriegense jedenfalls nüscht!“, schreit die Dame. JAN SÜSELBECK

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