piwik no script img

Rat vom Cyber-Doc

Bequeme Alternative? Wenn‘s hier und da mal drückt und zwackt, geht der moderne Mensch nicht gleich zum Arzt: Er geht ins Internet

von PEGGY WOLF

Das Rückgrat schmerzt. Der heiße Kopf verlangt nach einem kühlen Kissen. Rat ist gefragt, und den gibt‘s längst auch im Internet. Allerdings: „Dort werden nur Vorschläge, reine Informationen über mögliche Behandlungen geboten – zudem in ganz unterschiedlicher Qualität. Das Gespräch mit dem Arzt aber ersetzt keine Seite“, warnt Dr. Ulrich Paschen (55), Mediziner am UKE, Abteilung Stabsstelle für Qualitätssicherung.

Einfach, bequem und schnell ist die virtuelle Beratung im Netz. Aber der Rat der Cyber-Docs ist oft mangelhaft oder gar falsch. Zu diesem Schluss kam jüngst die „Stiftung Warentest“. Sie testete 19 allgemein zugängliche, kostenlose Gesundheitsforen (etwa: Deutsches Medizin Forum, Gesundheitsberatung, Lifeline, Qualimedic) und zwei kostenpflichtige E-Mail-Auskunftsdienste, die von Medizinern betreut werden (Medicine-Worldwide und NetDoktor). Die Prüfer stellten Anfragen von der Brustkrebsvorsorge bis hin zur Zeckengefahr. Fazit: Nur vier von 24 Anfragen wurden aus ihrer Sicht vollständig und richtig beantwortet. Dabei war die Bezahlung keine Garantie für die Qualität der Ratschläge.

Medizinische Beratung im In-ternet also reine Glückssache? „Nein“, sagt UKE-Mediziner Paschen. „Es gibt vor allem die Möglichkeit, zwischen mehreren Anbietern zu vergleichen, um herauszufinden, welche Informationen taugen und welche nicht.“ Und es kommt auf den Betrachter an: Welche medizinische Auskunft sucht er? Welche Vorbildung hat er? Wie skeptisch oder leichtgläubig vertraut er auf das Geschriebene? Paschen rät, „keiner Information zu glauben, die ohne Titel-, Namens- oder Herkunftsnennung ist. Die Quelle sollte darlegen, worauf sich ihre Kompetenz stützt, auch offen legen, welche Grenzen sie hat.“ Wer beispielsweise als Orthopäde arbeitet, sollte keine Hinweise zur Behandlung urologischer Probleme geben.

„Entscheidend“, so Paschen, „ist oft auch das Interesse des Anbieters.“ So haben zwar alle Krankenkassen Beraterseiten, doch die beziehen sich meist nur auf das jeweilige Leistungsspektrum. In anderem Fall kann eine schlichte Arzneimittelwerbung als sachliche Information getarnt sein, oder es schleichen sich medizinische Gerüchte oder pseudowissenschaftliche Schludereien in die Datenbanken renommierter Fachgesellschaften ein. Deshalb, sagt Paschen, „ist im Internet vor allem eins geboten – Skepsis“.

Ausführliche Checkliste zum Cyber-Doc-Besuch: www.stiftungwarentest.de

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen