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Geburtsort nach freier Wahl

Wo sollen Frauen gebären? Da, wo sie sich sicher fühlen und es eine ihrer Situation angemessene Betreuung gibt. Jeder Geburtsplatz hat Vorteile und Nachteile. Wichtig ist, dass die Frauen einen Vorbereitungskurs oder eine Hebamme aufsuchen

VON EVA BLANK

Wer sich mit der Notfallmedizin im Hintergrund am sichersten fühlt, sollte in einer Klinik entbinden. Hier kann innerhalb weniger Minuten ein Kaiserschnitt gemacht werden. Das Personal ist fachlich gut ausgebildet und durch die Vielzahl der Geburten sehr erfahren. Außerdem haben große Klinikzentren oft eine Neugeborenen-Intensivstation, wo dem Baby schnell geholfen werden kann. In einer Klinik tragen Ärzte die Verantwortung. Hebammen übernehmen nur selten die Leitung und arbeiten im Schichtdienst. Deshalb kann es unter der Geburt zu einem Wechsel des Personals kommen. Inzwischen können Frauen so genannte Beleghebammen in die Klinik mitbringen und unter deren Anleitung gebären. Das hat den Vorteil, dass die Gebärende eine persönliche Betreuung hat. So wird die oftmals verwirrende Informationsflut in der Klinik rund um das Stillen und Wochenbett von einer Person aufgefangen.

Eine ambulante Geburt ist die Alternative zur reinen Klinikgeburt. Bei ihr kann die Frau schon rund vier Stunden nach der Geburt mit dem Kind nach Hause gehen. Allerdings nur unter bestimmte Voraussetzungen: Mutter und Kind müssen gesund sein. Zu Hause muss sich jemand um die beiden kümmern. Eine Hebamme muss für die Wochenbettbetreuung zur Verfügung stehen, ebenso wie ein Kinderarzt für die Routineuntersuchungen und Komplikationen.

Risikofaktoren, die eindeutig für eine Entbindung in einer Klinik sprechen sind: Das Baby liegt falsch in der Gebärmutter, in Steiß- oder Querlage. Es ist mehr als ein Kind unterwegs. Eine Frühgeburt droht, die Plazenta sitzt zum Termin nahe oder direkt vor dem Muttermund. Die Mutter leidet unter einer Schwangerschaftsvergiftung, Bluthochdruck, Herz- oder Nierenkrankheit oder Diabetes.

Die Hausgeburt

Die intime, eigene Atmosphäre, die vertraute Umgebung und nicht zuletzt das Recht auf eine selbstbestimmte Geburt sind Vorzüge der Hausgeburt. Bei Hausgeburten darf keiner der Risikofaktoren für die Mutter oder das Kind vorliegen, auch wenn die Hausgeburt-Hebammen heutzutage gut mit modernen Geräten ausgerüstet sind. Da die Hebamme bei der Hausgeburt eine zentrale Rolle spielt, ist es wichtig, dass ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen der Schwangeren und der Hebamme besteht. Einen Teil der Vorsorgeuntersuchungen sollte die Hebamme machen – so kann sie Reaktionen der werdenden Mutter später besser einschätzen. Sollten andere Kinder da sein, muss ein Babysitter sich um sie kümmern – auch in den Tagen nach der Geburt.

Die Vorbereitungen und die Kosten einer Hausgeburt halten sich in Grenzen. Für die Bereitschaftspauschale der Hebamme sind rund 180 bis 200 Euro fällig, eine Plastikfolie fürs Bett, Eis und Handtücher sind die Vorbereitungen für zu Hause. Auch wenn die Schwangerschaft problemlos verlief, sollte die Frau sich zur Sicherheit in einer nahe gelegenen Klinik anmelden.

Das Geburtshaus

Geburtshäuser und Geburtspraxen werden meist von mehreren Hebammen geführt. Manchmal sind auch Ärzte mit im Team. Oftmals befinden sich die Geburtshäuser in Kliniknähe, so dass auf viel Technik verzichtet werden kann. Die gemütlich eingerichteten Geburtszimmer sind mit den Überwachungsgeräten für die Geburt und einem Notfallset für das Baby ausgestattet. Die Vorteile, in einem Geburtshaus zu entbinden, liegen auf der Hand: Der Geburtsablauf wird selbst bestimmt, wie bei einer Hausgeburt. Allerdings ohne die Vorbereitungen selbst treffen zu müssen.

Ein Schichtwechsel findet nicht statt, da die Geburt von der Hebamme geleitet wird, die Dienst hat. Wie bei einer ambulanten Geburt können Mutter und Kind einige Stunden nach der Geburt nach Hause gehen, betreut werden sie dann im Wochenbett von einer Geburtshaushebamme. Auch Geburtshäuser nehmen nur Frauen, bei denen keine Risikoschwangerschaft vorliegt.

Ulrike von Haldenwang, Vorsitzende des Berliner Hebammenverbands, sagt zur Entscheidung, wo und wie eine Geburt vonstatten gehen soll: „Die Geburtsort-Entscheidung sollte nach gründlicher Information und eingehender Hebammenberatung getroffen werden.“ Auch Freundinnen und geburtserfahrene Menschen könnten bei der Entscheidung helfen. „Die Frauen müssen sich klar machen, was sie wollen und was für sie wichtig ist“, so von Haldenwang. Bei der Wahl der Hebamme gehe es nicht darum, dass sie den Frauen möglichst viel anbietet, sondern „dass sie den Schwangeren den Raum lässt, selbst zu sehen, was sie wollen“.

Joachim Dudenhausen, Direktor der Kliniken für Geburtsmedizin am Charité Campus Virchow Klinikum und Benjamin Franklin, will hinsichtlich der Wahl des Geburtsorts keine allgemeine Empfehlung aussprechen. Aber: „Meiner Tochter würde ich zu einer Klinikentbindung raten.“

Martina Halfmann, Geburtsvorbereiterin bei der Gesellschaft für Geburtsvorbereitung, Familienbildung und Frauengesundheit, favorisiert eine selbstbestimmte Geburt: „Das kann eine Hausgeburt, eine Geburt im Geburtshaus oder eine Geburt mit einer Beleghebamme in einer Klinik oder eine ambulante Geburt sein.“ Auch für Halfmann ist es wichtig, dass die Frauen sich mit ihrer Entscheidung wohl fühlen. Und das geht nur, indem sie einen Geburtsvorbereitungskurs absolvieren, eine Hebamme kontaktieren oder andere Infostellen aufsuchen.

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