: Diese lästigen Geschäfte!
Das renommierte Moses-Mendelssohn-Zentrum in Potsdam hat mit einem Rückgang der öffentlichen Mittel zu kämpfen. Julius H. Schoeps, der Direktor, hat nun eine Familienstiftung gegründet, um die Forschungen zu fördern. Mit dabei: sein Bruder, Schlüsselfigur des Berliner Bankenskandals
VON JAN-HENDRIK WULF
Schon der Berliner Aufklärungsphilosoph Moses Mendelssohn wusste von dem schwierigen Verhältnis von Geist und Geld ein trauriges Lied zu singen. „Die Geschäfte! Die lästigen Geschäfte!“ Mendelssohn war 1754 in den Dienst des Berliner Seidenfabrikanten Isaak Bernhard getreten.
Wer heute in den Dienst der Aufklärung und deutsch-jüdischen Verständigung tritt, hat es nicht viel leichter. „Seit der Gründung unseres Zentrums 1992 sind die öffentlichen Mittel um ein Drittel zurückgegangen“, beschreibt Julius H. Schoeps, Nachfahre des Philosophen und Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums (MMZ) in Potsdam, die finanzielle Lage. Der Etat des Forschungsinstituts für europäisch-jüdische Studien speist sich aus Mitteln des Landes Brandenburg und privaten Spenden. Als wissenschaftliches An-Institut der Universität Potsdam beteiligt sich das MMZ am Studiengang „Jüdische Studien“, der mit über 400 Studenten inzwischen der größte seiner Art in Europa geworden ist.
Schoeps beurteilt die Aussichten der ostdeutschen Wissenschaftslandschaft eher pessimistisch. 2007 läuft das vom Bund finanzierte Hochschulerneuerungsprogramm aus. „Dann wird hier manches zusammenbrechen“, mutmaßt Schoeps. Was liegt also näher, als das Erreichte in eigener Initiative zu sichern? Gemeinsam mit seinem Bruder Manfred hat der 62-Jährige sein privates Vermögen in eine neu gegründete Moses-Mendelssohn-Stiftung eingebracht. Die Erträge dieser gemeinnützigen Familienstiftung sollen Bildung, Erziehung und Wissenschaft auf dem Feld der jüdischen Geschichte und Kultur fördern, insbesondere die Projekte des MMZ und der Mendelssohn-Akademie in Halberstadt.
Der private Geldsegen soll dabei keineswegs den Ausfall staatlicher Zuwendungen kompensieren. „Die Grundsicherung für das MMZ muss weiter vom Land kommen. Wie das in Amerika üblich ist, denken wir an eine Gegenfinanzierung einzelner Projekte“, stellt Schoeps klar. Davon soll besonders der Forschungsschwerpunkt „Integrationsprobleme russisch-jüdischer Zuwanderer in Deutschland“ profitieren. Ein weiteres Großprojekt soll mit Hilfe der Stiftung in zwei Jahren zum Abschluss kommen: „In Kooperation mit dem Olms-Verlag arbeiten wir an einer Bibliothek der verbrannten Bücher mit 280 bis 320 Bänden.“ Ein großer Teil der Autoren ist heute vergessen und soll wieder Eingang in die Schulen finden.
Auf den ersten Blick weniger nachvollziehbar ist, weshalb die Mendelssohn-Stiftung zugleich als Betreiber und Investor für neue Bauvorhaben auftreten wird. Auch diese Projekte, geplant sind etwa ein Rahel-Varnhagen-Seniorenheim oder ein Leo-Baeck-Studentenwohnheim, sollen möglichst als gemeinnützig anerkannt werden und der deutsch-jüdischen Verständigung dienen.
Weiteren Aufschluss kann darüber womöglich die Vorgeschichte des Stifters Manfred Schoeps geben. In der Immobilienszene ist der 60-jährige Mäzen kein Unbekannter. Der 2001 als Geschäftsführer der Immobilientochter IBG der Berliner Bankgesellschaft (BGB) abgetretene Manfred Schoeps gilt als Schlüsselfigur im Berliner Bankenskandal. Im vergangenen Sommer berichteten mehrere Zeitungen, dass Manfred Schoeps auch persönlich von seiner BGB-Tätigkeit profitiert habe: Für rund 35 Millionen Euro soll er einige besonders lukrative Objekte aus den Großeinkäufen der Bank in sein Privatvermögen übernommen haben. Juristisch war das nicht zu beanstanden. Nun wird Manfred Schoeps sich aus dem aktiven Geschäftsleben zurückziehen. Zu Anfang des Jahres hat er das Gesellschaftskapital seiner Frankonia Immobilien-Projektentwicklungs GmbH in Erlangen und der Gesellschaft für Beteiligungen und Projektentwicklung mbH & Co. KG in Berlin – insgesamt 30 Millionen Euro – auf die von seinem Bruder geleitete Mendelssohn-Stiftung übertragen. Die Stiftung erhielt die Auflage, „bei Entscheidungen, die sich auf die Frankonia-GBI-Unternehmensgruppe bestehen, darauf [zu] achten, dass die Einheit des Unternehmens möglichst gewahrt und seine weitere Entwicklung gefördert wird“. Die unter anderem mit dem Bau von Hotels erwirtschafteten Erträge sollen jetzt gemeinnützigen Zwecken dienen.
Das ist nun wieder ganz im Sinne Mendelssohns, der schon 1783 in seinem Hauptwerk „Jerusalem“ empfohlen hatte: „Es ist nicht ratsam, dass der Staat alle Pflichten der Menschenliebe, bis auf die Almosenpflege, übernehme und in öffentliche Anstalten verwandle. Der Mensch fühlt seinen Wert, wenn er Mildtätigkeit ausübt.“ Doch wie das bei Bankskandalen nun mal ist, auch hier gilt das Prinzip der Gegenfinanzierung. Das Land Berlin muss für die bei der BGB aufgelaufenen Immobilienverluste mit über 21 Milliarden Euro bürgen.
Julius H. Schoeps rechnet nicht damit, dass die ehemaligen Geschäfte seines Bruders dem Ansehen der Stiftung abträglich sind: „Die Stiftung ist ein Projekt der Familie, das wir schon seit acht Jahren geplant haben. Bei dieser Stiftung bedient sich keiner. Alles ist ehrenamtlich.“
Die neue Stiftung versteht sich als Dachorganisation für das MMZ und die Mendelssohn-Akademie in Halberstadt. Gemeinsam firmieren alle drei Einrichtungen unter einem einheitlichen Logo, den Initialen Moses Mendelssohns. Doch wo genau verlaufen die Grenzen zwischen privater Stiftung und staatlicher Forschung? „Das MMZ ist eine eigenständige Einrichtung. Ich bin der Vorsitzende der Stiftung und zugleich der Direktor des MMZ. Das geht nur über meine Person“, erläutert Julius H. Schoeps.
Schoeps, Inhaber eines Lehrstuhls für Neuere Geschichte in Potsdam, weiß um die Freiheiten des teilprivatisierten Wissenschaftsbetriebs: „Das Mendelssohn-Zentrum lebt in erster Linie von seinem zivilgesellschaftlichen Mandat. Das heißt, wir äußern uns zu bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungen. Das könnte ich als Mitglied der Universität nicht machen.“
Doch die Privatisierung greift längst auch in die traditionellen Strukturen der öffentlichen Hochschulen ein. So plant die Mendelssohn-Stiftung, aus ihren Mitteln dauerhafte Stiftungslehrstühle einzuwerben. Wenn Schoeps 2007 als Hochschullehrer in Pension geht, kann für seine Nachfolge durchaus eine Stiftungsprofessur ins Gespräch kommen. Das ist auch für das MMZ interessant. Das Angebot einer privat finanzierten Stiftungsprofessur könnte die Konzessionsbereitschaft schaffen, dem MMZ hier ein Mitspracherecht einzuräumen.
Und Mendelssohn? Über die großen Finanzgeschäften im friderizianischen Berlin äußert sich der Philosoph 1762 eher geringschätzig: „Unsere Börse wird berühmt sein, von dem Schlossplatz bis an unser Haus.“
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