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Widerstand gegen den „Bremer Schulkonsens“

Nach dem zwischen SPD, CDU und Grünen vereinbarten „Konsens zur Schulentwicklung“ soll es Oberschulen und Gymnasien geben – Ausnahmen nur bei Konsens. In Obervieland und in Vegesack (Borchshöhe) schließt die SPD aber Bündnisse mit Grünen und Linkspartei und überstimmt die örtliche CDU

Von Klaus Wolschner

Die Basis in den Stadtteilen ist gegen den Schulkonsens, mit dem die Bildungspolitiker von SPD, CDU, FDP und Grünen das bildungspolitische Kriegsbeil begraben wollten. Um das Gymnasium Obervieland und die Grundschule Borchshöhe in Aumund gibt es Streit – in beiden Fällen haben sich Ortsteilpolitiker von SPD, Grünen und Linkspartei zusammengefunden, um andere Modelle durchzusetzen als die im Schulkonsens mit der CDU vereinbarten.

Der Vegesacker Beirat hat am Donnerstag Abend getagt und mit deutlicher Mehrheit – hier war auch die FDP bei dem Links-Bündnis dabei – gefordert, dass die Schule Borchshöhe, die derzeit noch eine sechsjährige Grundschule ist, nicht auf vier Jahre verkürzt wird, sondern eine Schule von der ersten bis zur zehnten Klasse werden darf. Das entspricht dem Modell „Schule für alle“, das auch die Grünen in ihrem Wahlprogramm stehen hatten. „Für uns Grüne extrem wichtig“ sei es, wenigstens eine Modellschule zu haben, sagt die Landesvorsitzende Susan Mittrenga. Mit ihrer Absage des Unterschriftstermins unter den Schulkonsens wollten die Grünen klarstellen, dass nicht „alles festgezurrt“ sein könne auf die zwei Schul-Säulen Oberschule und Gymnasium. Das jedenfalls sei die „grüne Lesart“ des Schulkonsenses. „Langfristiges Ziel“ der Grünen bleibe die „Schule für alle“ von Klasse 1 bis10.

Die Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) ist wie die CDU skeptisch, dass der Standort Borchshöhe der richtige ist für ein Modell „Schule für alle“, da dort das leistungsstarke Schulzentrum Lerchenstraße direkt nebenan existiert – es besteht die Gefahr, dass die Modellschule Borchshöhe zur Restschule wird, wenn nur wenige SchülerInnen mit gymnasialer Empfehlung angemeldet werden.

Solch ein Dilemma existiert bereits am Schulstandort Obervieland. Dort finden sich Stadtteilschule und Gymnasium praktisch unter einem Dach – der „Gymnasial“-Anteil in der Stadtteilschule ist extrem niedrig. Die Stadtteilschule ist so zur Restschule verdammt, das hatte schon die Schulreformkommission vor zwei Jahren festgestellt. Das Gymnasium Obervieland ist aber eines von acht Gymnasien, für die laut Schulkonsens gilt: „Die acht bestehenden durchgängigen Gymnasien der Stadtgemeinde Bremen bleiben mit ihren Schülerkapazitäten in der Sek I erhalten.“ Und: „Der Unterricht im Gymnasium führt auf einem Anforderungsniveau zum Abitur.“

Nun hat der Beitrat Obervieland mit einer Mehrheit von SPD, Grünen und Linken sich diese Woche gegen CDU und FDP dafür ausgesprochen, dass die Stadtteilschule Obervieland aufgelöst wird, alle SchülerInnen sollten aufs Gymnasium gehen. Dass die Schülerkapazitäten „erhalten“ bleiben sollten, schließe nicht aus, dass man sie verdreifacht, so interpretiert die Bildungssenatorin den Schulkonsens. Dann müsse im Gymnasium Obervieland eben auf unterschiedlichen Niveaus unterrichtet werden: Das Gymnasium müsse alle Abschlüsse anbieten. Das Schiller-Gymnasium in Marbach sei dafür ein Vorbild. Diese preisgekrönte Reformschule hat auch mehr als 2.000 SchülerInnen und bietet u.a. eine Hochbegabten-Klasse an oder etwa „Chinesisch als zweite Fremdsprache ab der sechsten Klasse“. Auch den Realschulabschluss kann man da machen – das betreffe aber nur „ganz wenige“, heißt es dort.

Mit dem CDU-Vorsitzenden Thomas Röwekamp hat die Bildungssenatorin über die Verschmelzung der beiden Schulen in Obervieland gesprochen und der sei einverstanden, sagt Jürgens-Pieper. Ein Gespräch gab es, bestätigt Röwekamp, er habe nichts dagegen, wenn ein Gymnasium ausgeweitet werde. Dabei müsse aber klar sein, dass „auf einem Niveau“ unterrichtet wird und zwar auf einem gymnasialen. Die SchülerInnen aus Obervieland, die da nicht mithalten könnten, müssten eben auf andere Schulen gehen.

Auf welche, das wäre die Frage. Für die Mehrheit im Beirat jedenfalls war klar, dass die Schule in Obervieland alle SchülerInnen aus dem Stadtteil aufnehmen muss – egal, wie sie heißt. Früher war im Gespräch gewesen, sie „Oberschule“ zu nennen. Wie an den anderen Oberschulen soll das Abitur nach 13 Jahren die Regel sein.

Die FDP in Obervieland spricht von „Etikettenschwindel“, wenn eine solche Schule für alle als Gymnasium gezählt würde. Auch Gisela Rabeler, CDU-Beiratsmitglied in Obervieland, ist daher strikt gegen das Modell, das der Bildungsschulrat Otto Bothmann im Beirat vertreten hatte. Die Eltern aus Arsten und Habenhausen „sind sehr ehrgeizig mit ihren Kindern“, sagt sie – die würden das neue Schulzentrum meiden, auch wenn außen Gymnasium daran steht. Wenn gleichzeitig beim Schulzentrum Habenhausen drei Oberstufen-Profile angeboten würden, eine Klasse sogar „bilingual“ mit dem Abi nach 12 Jahren Schulzeit wie an den „richtigen“ Gymnasien, dann seien die Habenhauser allerdings zufrieden: „Ich bin froh, dass Habenhausen gerettet ist“, formuliert das die langjährige Elternsprecherin.

Derzeit käme die Oberstufe in Obervieland ohne die leistungsstärkeren SchülerInnen, die nach der zehnten Klasse vom Schulzentrum Habenhausen nach Obervieland wechseln nicht in der erforderlichen Jahrgangsbreite zustande. Die neuen Oberstufen-Angebote in Habenhausen könnten dem gymnasialen Angebot in Obervieland die Basis entziehen.

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