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Turnvater gehen Zöglinge aus

Beim Deutschlandpokal üben sich Mehrkämpfer im Jahnwettkampf. Schwimmen, Turnen und Leichtathletik stehen auf dem Programm, doch der Nachwuchs fehlt

Wer am Rande einer Veranstaltung des Deutschen Turnerbundes den Trainern des Bereichs Geräteturnen zuhört, der muss glauben, die Deutschen seien ein Volk von Bewegungsmuffeln, denen man schon aus Sicherheitsgründen das Turnen an Schwebebalken, Reck oder Barren verbieten müsse. Ähnlich hat wohl auch der als Turnvater in die Geschichte eingegangene Friedrich Ludwig Jahn über seine Landsleute gedacht. Für untüchtig hielt der eingefleischte Nationalist die Deutschen, körperlich nicht fähig, sich dem französischen Feind zu erwehren, und schickte sich an, die Turnbewegung zu begründen. Wenn heute über die Untüchtigkeit deutscher Schüler gesprochen wird, geht es gottlob nicht darum, die Wehrkraft der Volksgemeinschaft zu erhöhen. Es geht vielmehr um die Zukunft einer der olympischen Kernsportarten. Denn die Turnvereine des Landes leiden unter massivem Mitgliederschwund.

Immerhin gibt es noch etliche Turner, die sich frisch, fromm, fröhlich und frei im Namen des Turnvaters zusammenfinden, um sich zu messen: Die Jahnwettkämpfer treten in neun Disziplinen an, je drei aus den Bereichen Schwimmen, Leichtathletik und Turnen. Seit 1948 werden Jahnwettkämpfe ausgetragen, um „ganz bewusst dem Jahn’schen Ideal der ganzheitlichen körperlichen Ertüchtigung gerecht zu werden“, wie der Berliner Turntrainer Detlev Schaak erklärt. Zwar ist nicht verbürgt, dass Jahn sich und seine Schüler auch in der Leichtathletik geübt hat, aber er ist geschwommen und hat Gruppenwanderungen veranstaltet.

Am Samstag fand in Berlin der Deutschlandpokal der Mehrkämpfer auf dem Gelände des Sportforums Hohenschönhausen statt. Neben den Jahnwettkämpfern bestritten die Breitensportler der Turnvereine noch einen reinen Leichtathletik-Fünfkampf sowie den deutschen Mehrkampf, in dem acht Disziplinen aus den Bereichen Schwimmen und Geräteturnen zu absolvieren sind.

Wer am Wettkampftag den langen Weg über das Gelände des Sportforums bis zum Leichtathletik-Stadion zurückgelegt hat, hatte genug Zeit, eine Verbindung herzustellen zwischen der bisweilen doch recht maroden Sportanlage und dem von den Sportverbänden so oft beklagten körperlichen Zustand der deutschen Jugend. Erst ganz am Ende der Anlage ist zu erkennen, dass der Sport in Hohenschönhausen eine Zukunft haben wird. In der überaus schicken neuen Lilli-Henoch-Sporthalle wurden die Disziplinen Barren, Boden und Pferd ausgetragen.

Dass der Mehrkampfbereich dem Breitensport im Turnerbund zugeordnet ist, sah man oft nur bei den jugendlichen Wettkämpfern, von denen es allerdings immer weniger gibt. Eine große Zukunft steht dem Jahnwettkampf wohl nicht bevor.

Nach dem Turnen wurden die Sportler in die Schwimm- und Sprunghalle an der Landsberger Allee chauffiert. Es gibt wahrscheinlich selten Gelegenheit, einen Wettbewerb im 25-Meter-Streckentauchen auf Zeit zu verfolgen, und so ließen sich doch einige Freizeitschwimmer auf den Tribünen nieder und rieben sich verwundert die Augen: „Was machen die da?“Als die selben Männer und Frauen ihre Salti vom Einmeterbrett ins Wasser drehten, wich Respekt der Verwunderung. Mit einer Lagenstaffel endete der Deutschlandpokal.

Der Wettbewerb war ein kleiner Test der Leitungsfähigkeit des Berliner Turnerbundes, der mit großen Transparenten das Deutsche Turnfest, das 2005 in der Hauptstadt stattfinden wird, beworben hat. Trainer Schaak erwartet von dem Großevent immerhin, dass das Turnen wieder ins Bewusstsein der jungen Menschen rückt.

Immerhin wird es schulfrei geben, weil man die Unterrichtsgebäude als Schlafstätten benötige. Ob das reicht, um die Kinder von heute für Stufenbarren und Reck zu begeistern?

ANDREAS RÜTTENAUER

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