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DER ABSCHIED SCHARONS VON DER ROADMAP SCHADET AUCH ISRAELKurzsichtiger Alleingang

Es war nicht als dramatische Ankündigung inszeniert, sondern eher eine beiläufige Bemerkung: Israel habe nicht mehr die Absicht, der Roadmap zu folgen, sagte der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon in einem Interview. Nach dem Abzug aus dem Gaza-Streifen und der Räumung von vier kleineren Siedlungen werde wohl „lange nichts mehr passieren“. Scharon hat damit klar ausgesprochen, was seiner Politik ohnehin anzusehen ist: Seine Regierung hat nicht die Absicht, sich mit den Palästinensern auf irgendetwas zu einigen, sie zieht den Alleingang vor.

Dies ist der vorläufige Endpunkt einer langen Entwicklung, die immer stärker den vermeintlichen, von Scharon definierten, israelischen Interessen folgte: Die Roadmap war, von den Palästinensern aus gesehen, schon eine schlechtere Lösung als der Osloer Friedensprozess. Dann kam die Idee des israelischen Rückzugs aus Gaza in Absprache mit Ägypten.

Erfolgt ist nun der einseitige Abzug ohne Absprache. Zwar war Scharon noch nie ein Befürworter von Verhandlungslösungen mit den Palästinensern. Doch erst im Windschatten des 11. September, des Afghanistan- und schließlich des Irakkriegs ist es ihm gelungen, seinen Alleingang durchzusetzen. Der Rest der Welt war und ist mit dem Kampf gegen den Terror beschäftigt. So sehr, dass selbst die umstrittene Sperranlage auch in den USA und Europa weitgehend akzeptiert wird.

Innenpolitisch mag diese Linie Scharon gut bekommen, denn seit dem Ende des Friedensprozesses ist die israelische Öffentlichkeit so sehr nach rechts gerückt, dass selbst ein Scharfmacher wie er als Vaterlandsverräter dasteht, wenn er aus Sicherheitsgründen ein paar Siedlungen räumen will.

Insgesamt ist jedoch zu bezweifeln, dass es Israel – und der Welt – gut bekommen wird, wenn das Land von palästinensischen Kleinstterritorien umgeben ist – ohne politische Autonomie, ohne wirtschaftliche Chancen, aber voller perspektivloser, empörter Jugendlicher. Die Terrorbekämpfung, angeblich oberstes Ziel internationaler Politik – sie versagt. Auch hier. ANTJE BAUER

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