: „Blut muss fließen“
Peter Leko, einst jüngster Großmeister aller Zeiten, kämpft ab morgen gegen Wladimir Kramnik um den WM-Titel
BERLIN taz ■ Bereits mit zwölf Jahren kündigte der Ungar Peter Leko an, einmal Schach-Weltmeister zu werden. Nun ist der einst jüngste Großmeister aller Zeiten 25 und erhält in Brissago (Schweiz) ab morgen die Chance, auf den Schach-Thron zu steigen. Im Centro Dannemann heißt der Gegner in den 14 Partien Wladimir Kramnik (28).
taz: Herr Leko, Sie sind seit vielen Jahren Veganer. Ohne tierische Produkte fehlt manchem Vitamin B 12, was zu Herzklopfen, Müdigkeit und Nervenstörungen führen kann. Schlechte Voraussetzungen, um Weltmeister zu werden.
Peter Leko (lacht): Wenn es meine Fans beruhigt: Ich habe meine Ernährungsweise zuletzt umgestellt. Ich bin kein so strenger Vegetarier mehr, esse neuerdings Fisch und im Grunde genommen alles außer Fleisch. Deshalb befinde ich mich nervlich auf dem richtigen Weg.
Sie und Wladimir Kramnik remisierten beim Turnier Ende Juli in Dortmund alle zehn Turnierpartien und waren auch gegeneinander gewohnt friedlich. Deshalb lästern viele Schachspieler, Sie seien chancenlos auf den Titel angesichts der zu erwartenden 14 Remis in Brissago. Bei 14 Remis hätte jedenfalls Titelverteidiger Kramnik erneut gewonnen.
Diese Lästerzungen werden ziemlich überrascht sein, wie die WM verläuft. Ich habe Kramnik bereits 1995 in Belgrad, bei einer unserer ersten Begegnungen, geschlagen. Momentan führe ich mit 2:1. Ansonsten haben wir in der Tat häufig remisiert: Oft denkt man bei einem Turnier, lieber Kräfte gegen die Starken sparen und dann die Außenseiter schlagen. Bei einem Match hilft solch eine Taktik nicht – da muss Blut fließen.
Sie gelten als der beste Athlet in der Schach-Weltspitze, liebäugelten sogar mit einer Karriere als Profi-Fußballer. Wie wichtig ist körperliche Fitness im Schach?
Ohne geht es nicht. Jeder Topspieler macht etwas für seinen Körper. Anders kann man es nicht aushalten, zehn, zwölf Stunden monoton am Schachbrett Ideen zu entwickeln und zu trainieren. Ich selbst spiele noch immer sehr gerne Fußball, in dem halben Jahr vor der WM erlegte ich mir allerdings eine Zwangspause auf, um mich nicht wie 2003 zu verletzen. Damals konnte ich eineinhalb Monate kaum gehen. Meine Frau wollte mich nur noch über ihre Leiche aufs Fußballfeld lassen, eben weil ich bei jeder Sportart mit vollem Herz dabei bin. Ich kann keinen Alibi-Fußball spielen – und so bleibt eben ein gewisses Restrisiko. Deshalb habe ich jetzt auch auf auf Fitnessstudio, Tischtennis, Squash, Tennis und Bowling umgeschaltet. All das betreibe ich natürlich sehr intensiv.
Viele Schachspieler meinen, dass Kasparow seine Elo-Ratingzahl nur noch verwaltet, um so in der Weltrangliste vorne zu bleiben. Der Weltranglistenerste spielt fast keine Turniere mehr und büßt daher auch kaum Punkte in dem starren Ratingsystem ein.
Wenn ich mich richtig erinnere, datiert sein letzter großer Turniersieg in Astana vom Mai 2001. Vieles deutet darauf hin, dass Kasparow noch einer der Besten ist – aber man kann ihn nicht mehr als die Nummer eins bezeichnen. In letzter Zeit spielt Viswanathan Anand fantastisch. Im Schnellschach ist der Inder unschlagbar, im klassischen Schach kann ich das aber nicht behaupten. Da freue ich mich stets auf Duelle mit Anand.
Beschäftigen Sie neben der WM-Vorbereitung die Vorgänge um den in Japan inhaftierten Bobby Fischer? Sie haben mit dem Amerikaner häufig trainiert, als er sich in Ungarn versteckte.
Wir hatten damals ein wirklich gutes Verhältnis. Ich verfolge über die Medien, was mit Bobby geschieht. Der Kontakt ging jedoch vor vier, fünf Jahren verloren. Ich drücke ihm die Daumen, dass sich die Situation in Japan in seinem Sinne löst.
Fischer verschwand nach seinem WM-Sieg 1972 von der Bildfläche und verlor seinen Titel kampflos an den Russen Anatoli Karpow. Drehen Sie nach Ihrem WM-Sieg auch durch und treten ab?
Erst einmal muss ich den Titel holen, dann kann ich darüber nachdenken. Aber ich glaube, diese Gefahr droht mir nicht. Ich bin erst 25 und habe noch viel Freude am Schach.
INTERVIEW: HARTMUT METZ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen