kunstmarkt berlin: Glatte Lüge
Nicht umsonst, sondern nur unentgeltlich hätten die Studentinnen am Institut für Kultur- und Medienmanagement der FU Berlin die Marktstudie zur Kunstszene der Stadt angefertigt, korrigierte Volkmar Strauch von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen den Leiter des Instituts, Klaus Siebenhaar. Doch nach der Präsentation der Studie am Donnerstagabend in der Mercedes-Welt am Salzufer war man sich nicht mehr so sicher, ob diese Korrektur Bestand hat.
300 Galerien, die Auktionshäuser der Stadt, das Art Forum und drei Sammler waren befragt worden, um Daten über den Kunststandort Berlin zu erheben. Es kamen interessante Ergebnisse zutage: 56 Millionen Euro sollen die Berliner Galerien erwirtschaften. Mit 23,6 Millionen Euro Anteil daran sollen die Berliner Käufer den wichtigsten Einnahmefaktor der Galerien darstellen. „Zum Vergleich“, ist in der Studie zu lesen, „Ihr Anteil am Gesamtumsatz ist damit höher als der Regionalkäufer der Kölner Galerien.“
Leider ist das eine glatte Lüge, wie sich bei Nachfrage herausstellte. Die Kölner Zahlen, die zum Vergleich herangezogen wurden, stammen aus einer Untersuchung des Landes Nordrhein-Westfalen und betreffen keineswegs die Regionalkäufer aus dem Rheinland, sondern allein die Käufer aus Köln selbst. Damit, das wusste jeder der Anwesenden, ist die Aussagekraft des Vergleichs hinfällig.
Ähnlich kess sind die Zahlen zur Altersstruktur der Galeriebesucher. Nicht grob ein Fünftel der Besucher ist 26 bis 35 Jahre alt und drei Fünftel 35 bis 45 Jahre, nein, genau 22,1 Prozent fallen in die erste und 66,2 Prozent in die zweite Kategorie. Nur: Niemand hat jemals irgendeinen Besucher nach seinem Alter befragt. Die Zahlen beruhen auf puren Annahmen der Galerien. Und besonders schön: In der Presseinformation zur Kunstmarktstudie – Galeristen hergehört! – werden, gleich auf der ersten Seite, aus den Besuchern umstandslos Käufer: „Mit einem Käuferanteil von 66 Prozent in der Altersgruppe der 35–45-Jährigen sowie 22 Prozent unter 35 Jahren stellt sich Berlin im Bereich der Galerien als Einsteigermarkt für junge Nachwuchskäufer dar.“
Trotzdem sich die Marktstudie durchgängig auf diesem Niveau bewegt, hat sie ihren Informationswert. In Powerpointmanier gesagt: Endlich versteht man, wie es in der Region Berlin-Brandenburg zu Unternehmungen wie der Chipfabrik in Frankfurt an der Oder kommen konnte oder zum Lausitzring. Da dürften ähnlich seriöse Studien vorgelegen haben. Endlich bekommt man eine Ahnung, wie die niederschmetternden Befunde der OECD-Studie zum Bildungsniveau in Deutschland im konkreten Fall ausschauen. Endlich erfährt man, wie Professoren ihrer Pflicht nachkommen, ihre Studenten anzuleiten. Denn diese desaströse Präsentation haben nicht die Studentinnen zu verantworten, sondern Klaus Siebenhaar, der es ganz offensichtlich versäumt hat, wenigstens die Pressemitteilung einmal gegenzulesen.
Von anderen Versäumnissen gar nicht zu reden, die umso größer werden, je näher man sich mit der Studie befasst. Wie hoch zum Beispiel ist der Anteil der Käufer unter den Besuchern? Und wie sieht das dann in den Alterssegmenten aus? Das wurde selbstverständlich nicht erhoben. Ist Galerist, wer als solcher im Telefonbuch steht? Kriterien, was eine Galerie ausmacht – Fehlanzeige, usw. Klaus Siebenhaar betrachtet die Studie als repräsentativ. Das ist fahrlässig. Sollen wir auch so fahrlässig argumentieren und sagen, die Studie ist repräsentativ für die Wirtschaftsforschung in Berlin? Dann müsste man von Skandal sprechen. BRIGITTE WERNEBURG
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