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„Herzog-Papier hat eine gewisse Überzeugungskraft“

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Albert Rupprecht widerspricht seinem Parteichef Stoiber: Herzog-Pläne nicht sofort verwerfen

taz: Sie haben sich als einer von mehreren jungen CSU-Abgeordneten vehement zu Wort gemeldet und gefordert, die Vorschläge der Herzog-Kommission nicht vorschnell abzulehnen. Warum stellen Sie sich gegen Ihren Parteichef Edmund Stoiber?

Albert Rupprecht: Wir stellen uns keinesfalls gegen Edmund Stoiber, da habe Sie einen falschen Eindruck. Ich denke aber, dass das Herzog-Papier eine gewisse Überzeugungskraft besitzt. Jeden Tag, an dem man sich mehr damit beschäftigt, erhält man zunehmend den Eindruck: Das hat Substanz. Daher kann ich die sofortige, pauschale Aburteilung nicht unterstützen. Man muss sehen, dass man Schritt für Schritt die kritischen Schrauben herausdreht.

Ihre eigene Partei hat aber nicht nur Details, sondern auch sehr zentrale Punkte wie die von der Herzog-Kommission vorgeschlagene Kopfpauschale abgelehnt und diese trotz der geplanten Ausgleichszahlungen für Geringverdienende als unsozial bezeichnet.

Es war schon sehr ungeschickt, bei der Vorstellung des Herzog-Papiers, diesen Begriff der Kopfprämie zu verwenden, der kalt und abstoßend wirkt. Ich denke aber, dass dieses Konzept sozialer wirkt als das bisherige System und zudem stärkere Umverteilungseffekte mit sich bringt. Wir haben beim bisherigen Krankenversicherungssystem eine Deckelung durch eine Begrenzung der Bemessungsgrundlage nach oben. Spitzenverdiener – sofern sie überhaupt noch dem gesetzlichen System angehören – zahlen ab einem bestimmten Betrag, absolut gesehen, nicht mehr als Menschen, die zum Teil erheblich weniger Einkommen haben. Stellt man den sozialen Ausgleich aber so um, dass er im Steuersystem erfolgt statt wie bisher einerseits im Krankenversicherungssystem und andererseits im Steuersystem, dann gibt es diese Deckelung nicht mehr – mit der Konsequenz, dass die Gutverdiener einen größeren Anteil des Gesamtkuchens zu finanzieren hätten.

Edmund Stoiber hat am Herzog-Papier auch kritisiert, dass Millionen Bundesbürger überhaupt zu Empfängern von Sozialtransfers degradiert werden.

Sozialtransfers gibt es auch jetzt schon, nur existieren im bisherigen System über dreißig verschiedenen Töpfe, aus denen sie finanziert werden – mit dem Ergebnis, dass nicht derjenige an Sozialtransfers gelangt, der am bedürftigsten ist, sondern derjenige, der am geschicktesten ist. Man muss die Vielfalt dieser Töpfe an einen Punkt zusammenführen – und am besten geeignet ist das Finanzamt. Der soziale Ausgleich erfolgt dann zentral über die Steuererklärung. Das führt zu mehr Transparenz und mehr Gerechtigkeit.

Sie stehen mit Ihren Positionen aber doch in einem sehr grundsätzlichen Gegensatz zu Edmund Stoiber, der das bisherige System in der Krankenversicherung behalten will.

Ich teile die Sorgen, die Edmund Stoiber geäußert hat, denke aber, dass die Probleme über das Konzept Herzog gelöst werden können. Die grundsätzliche Frage, ob der Systemwechsel zwingend notwendig ist, habe ich für mich persönlich noch nicht abschließend beantwortet. Wir sehen uns aber in Verantwortung für die jüngere Generation, damit die nicht übermäßig belastet wird.

Gibt es denn eine Tendenz für Sie?

Die Zahlen, die durch das Herzog-Papier vorgelegt wurden, besitzen so viel Überzeugungskraft, dass ich im Moment denke, dass man diesen Systemwechsel befürworten sollte. Es scheint auch langfristig das bessere Modell zu sein, das Perspektive und Vision für die nächsten Jahrzehnte darstellt und einen Weg mit Übergangsszenarien weist, der weiter führt als andere Modelle, die kurzfristiger angelegt sind.

INTERVIEW: JÖRG SCHALLENBERG

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