: Eine matschige Angelegenheit
Das Offshore-Windkraftprojekt Sky 2000 in der Ostsee kommt nicht voran. Die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen waren „denkbar schlecht“, heißt es. Erstaunlich, dass dies trotz zehnjähriger Planungsphase nicht schon viel früher festgestellt wurde
VON DIERK JENSEN
Es ist schon vertrackt: Zwar wurde das aufwändige Raumordnungsverfahren schon im Dezember 2003 positiv abgeschlossen. Doch das Offshore-Windkraftprojekt Sky 2000 mit einer geplanten Leistung von 150 Megawatt in der Lübecker Bucht verharrt weiterhin in der Warteschleife. Der Projektträger „1. SHOW VG“, ein Konsortium aus nordfriesischen Windpionieren und den seit 2002 mit 50 Prozent beteiligten Eon Energy Projects, hat bisher noch keinen Bauantrag beim Staatlichen Umweltamt in Kiel gestellt.
Manche in der Windkraftbranche munkeln, dass dies an der passiven Haltung der Münchener Eon-Tochter liege. Eine Unterstellung, die Georg Barton nicht hinnehmen mag. Er ist bei Eon Energy Projects für die Offshore-Windkraftprojekte zuständig. Neben dem küstennahen Sky-2000-Vorhaben ist er auch mit dem 400-Megawatt-Projekt Amrumbank West außerhalb der 12-Seemeilen-Zone in der Nordsee beschäftigt, das vom zuständigen Hamburger Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) im Juni dieses Jahres eine Baugenehmigung erhielt.
„Die Ergebnisse unserer Bodenuntersuchungen am Standort Sky 2000 waren denkbar schlecht“, gibt Barton als Erklärung für das derzeitige Stillhalten beim Ostseeprojekt südlich von Fehmarn an. Dort sei das Wasser zwar nur 20 Meter tief, doch gebe es darunter „eine von uns nicht erwartete Weichschicht in der Dicke von 10 bis 15 Metern“. Durch die Weichschicht müssten die Anlagen „viel tiefer gründen als geplant, was die Kosten hochtreibt“, bedauert der Maschinenbau-Ingenieur. Erstaunlich nur, dass dieses geologische Handicap trotz einer fast zehnjährigen Planungsphase nicht schon etwas früher festgestellt werden konnte. Der Matsch erfordert offenbar ein neues technisches Konzept, damit der Windpark kein Investitionsgrab wird. Und da bisher noch kein für die Eon Energy Projects überzeugendes Angebot zur Realisierung des Windparks vorliegt, wird auch kein Bauantrag gestellt. Unmissverständlich fügt Barton hinzu: „Es nützt nichts, das Projekt mit Gewalt gegen die Wand zu fahren, dann ist es das erste und auch letzte Projekt der Eon im Bereich Offshore.“
Ein möglicher Ausweg aus dem aktuellen Dilemma wäre der Bau von höheren Windkraftanlagen am gleichen Standort: statt 50 Anlagen der 2,5-Megawatt-Klasse solche der 5-Megawatt-Generation. Sie könnten vielleicht mit mehr Stromausbeute an gleicher Stelle einen wirtschaftlichen Erfolg herbeiführen. Würde man dies beabsichtigen, hieße das aber, dass solche Anlagen, ob nun die E-112 vom deutschen Branchenprimus Enercon oder die gegenwärtig in Brunsbüttel aufgerichtete 5-MW-Anlage der Hamburger Herstellerfirma Repower, nicht mehr mit der zugelassenen Nabenhöhe von 115 Metern auskommen würden. „Wenn die Investoren höher hinaus wollen, dann haben wir eine Situation, die wir nach Aspekten raumordnerischer Verträglichkeit neu abschätzen müssen“, gibt Kurt Püstow zu Bedenken. Er ist Leiter der Abteilung Landesplanung im schleswig-holsteinischen Innenministerium, die für alle baulichen Aktivitäten und sonstigen Eingriffe innerhalb der 12-Seemeilen-Zone zuständig ist. Abgewogen werden müsste vor allem, so Püstow weiter, die größere Beeinträchtigung der Sichtachsen beziehungsweise Horizonte. Abgesehen davon würden größere Höhen die Naturschutzverbände sicherlich zum neuerlichen Protest anstacheln. Kommunalpolitiker von der Insel Fehmarn und anderen Strandbädern entlang der Lübecker Bucht hatten das Projekt schon im Vorfeld immer wieder heftig kritisiert. Sie fürchteten Nachteile für den Tourismus. „Als jemand aus der Touristik-Branche sehe ich das natürlich kritisch, aber mit dem Bau des Offshore-Windparks geht die Welt nicht unter“, kann sich Rolf Harenberg, Kurdirektor von Fehmarn, inzwischen mit dem positiven Bescheid aus dem Kieler Innenministerium arrangieren. „Die Windkraftanlagen sind mir immer noch lieber als ein Atomkraftwerk.“ Würden die Projektträger nun aber eine Anhebung der Höhengrenze im Ostseewindpark beantragen, dessen Anlagen sich auf einer Fläche von 13,5 Quadratkilometern befinden, dann hätte Harenberg damit ein „echtes Problem“.
Dabei sind die Erwartungen sowohl der Branche als auch der Politik an das Projekt groß. Seit 1993 wird geplant, diskutiert und nach dem optimalen Standort gesucht, bei dem der Strom über ein Seekabel zur gegenüberliegenden mecklenburgischen Küste fließen soll. „Wir erwarten uns von Sky 2000 Erkenntnisse für die Errichtung großer küstenferner Windparks in der Nordsee“, verkündete beispielsweise Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Buß im Dezember letzten Jahres. Indessen steht schon seit 2002 eine Windmessplattform auf dem Areal und liefert wichtige Winddaten.
Auch die von der rasanten Entwicklung zum Teil unter Druck geratenen Hersteller von Windkraftanlagen wären sicherlich froh, würde Eon Energy Projects jetzt ernst machen. Durch ein in den Gesamtpark integriertes Testfeld mit fünf Standorten für Windkraftanlagen bis zu fünf Megawatt, die im Übrigen im Gegensatz zum restlichen Park eine Höhe von 135 Meter erreichen dürfen, könnten sie ihre Großanlagen auf „Seetüchtigkeit“ überprüfen. Denn eines ist der Windkraftbranche seit dem Desaster am Horns Rev, wo 80 Offshore-Anlagen vor der dänischen Westküste nach nicht einmal zwei Jahren Betrieb wegen Salzschäden ausgewechselt werden mussten, klar: Windkraft auf hoher See ist kein Selbstläufer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen