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Von alternativ bis elitär

Neben dem verrufenen Mainstream gibt es vorbildliche Lehranstalten. Oft sind das freie Schulen jenseits der Eliteschmieden. Doch gerade die sozial offenen stehen vor hohen Finanzierungshürden

von VERENA MÖRATH

Vorbildliche Schulen gibt es auch in Deutschland. Die einen kämpfen ums Überleben. Andere erscheinen als Inseln elitärer Exklusivität, zum Beispiel die Staatliche Internationale Schule Berlin (SISB), eine bilinguale Ganztagsschule in Wilmersdorf. Zwar ist die SISB im Prinzip für alle Bevölkerungsgruppen offen – schließlich wird sie aus öffentlichen Mitteln finanziert. Aber „falls die Anzahl der Bewerber die vorhandenen Plätze überschreitet, erhalten Kinder aus hochmobilen Familien den Vorrang“, informiert die Schule. De facto heißt dies, dass sich dort ausschließlich Kinder einer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Elite tummeln: von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung, von Botschaftsangehörigen sowie von Repräsentanten international tätiger Unternehmen, Verbände oder Medien.

„Mit Eliteförderung hat das nichts zu tun“, beteuert Thomas John, Pressesprecher der Senatsverwaltung Bildung. Es handle sich vielmehr um ein Angebot, das eine bedeutende Hauptstadt wie Berlin einfach vorhalten müsse, um als Standort für gesellschaftliche Leistungsträger attraktiv zu sein.

Mit dem Ruf, Einrichtungen für die Sprösslinge finanzstarker Eltern zu sein, haben meist nicht die staatlichen, sondern in erster Linie die privaten Schulen zu kämpfen. Nur selten trifft dies in Berlin so offensichtlich zu wie im Falle der kommerziell betriebenen „British International School“, einer Villa an der Heerstraße mit ca. 40.000 Quadratmetern Parkanlage, mit Schülern in Uniformen und einer Aufnahmegebühr von 1.300 Euro. Solche Eliteschulen sind in Deutschland als Ersatzschulen für staatliche Bildungseinrichtungen nicht zugelassen. Das heißt: Sie erhalten keine Zuschüsse, ihre Abschlüsse sind nicht anerkannt, und wer sein Kind dorthin schickt, muss es von der regulären Schulpflicht befreien lassen.

„Unabhängig von der Schichtzugehörigkeit der Eltern muss jeder Schüler die Chance haben, eine staatlich anerkannte Ersatzschule zu besuchen“, betont Detlef Hardorp, Sprecher der Waldorfschulen in Berlin und Brandenburg sowie Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen in Brandenburg. Die Möglichkeit, eine private Schule in freier Trägerschaft zu gründen, ist im Grundgesetz verankert. Mit „Eliteschulen hat das nichts zu tun“, so Hardorp.

Die Freie Schule Pankow etwa verfolgt mit ihren 44 Schülern ein alternatives Konzept: 75 Prozent der Eltern kommen aus einkommensschwachen Haushalten. Wer kann, bringt die Schulgebühr in Höhe von monatlich 123 Euro für ein Kind und 93 Euro für das Geschwisterkind auf. „Man kann auch beim Vorstand des Elternvereins Ermäßigung beantragen“, erklärt Jana Scheuer, Geschäftsführerin des Elternvereins, der 1996 die Grundschule gegründet hat. „Frei“ heißt für Jana Scheuer vorrangig „nicht staatlich“. Für die Schüler hier heißt „frei“: Schule ohne Noten und Leistungsdruck. Ein Konzept, für das sich nicht allzu viele Eltern erwärmen können. Die meisten suchen vielmehr nach einer Bildungsalternative, die zwar anders als an staatlichen Schulen, aber doch leistungsorientiert zum Abitur und dann zum Studium führt.

Unter insgesamt 40 unterschiedlichen Trägern können Eltern und Schüler in Berlin eine auf ihre Bedürfnisse, Begabungen oder Wertvorstellungen zugeschnittene Schule finden. Bislang besuchen 5 Prozent aller Berliner Eleven Privatschulen. Aber längst führen diese lange Wartelisten: Mit dem wachsenden Interesse an diesen Schulen hält die zahlenmäßige Entwicklung keineswegs Schritt. „Da besteht unglaublicher Nachholbedarf“, sagt Hardorp. Berlin macht es freien Trägern nicht leicht, eine Schule zu gründen. Neue Grundschulen bekommen erst nach fünf Jahren Zuschüsse. Einst waren es 97 Prozent der vergleichbaren Personalkosten einer staatlichen Schule, von nächstem Jahr an sind es noch 93 Prozent. Gebäude-, Betriebs- und Verwaltungskosten trägt der Schulbetreiber ohnehin selbst. Dadurch sind freie Schulen gezwungen, sich auch durch Schulgeld zu finanzieren – was ihnen den Ruf einbringt, elitär zu sein.

Eine leichte Besserung gibt es seit diesem Jahr nur für bewährte Träger wie beispielsweise die großen Kirchen und Waldorfschulen. Sie können direkt nach der Gründung gefördert werden. Neue und kleine Träger müssen nach wie vor ihre neue Sekundarstufe jahrelang ohne staatliche Unterstützung aufbauen. Immerhin haben dort alle eine Chance, aufgenommen zu werden. Anders als bei der staatlich geförderten SISB, wo die Herkunft bestimmt, wer dort die Schulbank drücken darf.

Freie Schulen im Internet: www.freie-schulen-berlin.de, www.vdp-berlin-brandenburg.de, www.agfs.org

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