: Es werden die Ärmel aufgekrempelt
Im Polizeiapparat nimmt die Kritik an der Personalpolitik von Polizeipräsident Udo Nagel zu. Kumpanei statt Kompetenz. Kriminalisten spotten über die Führungsriege der „Hemdsärmeligen“, die Experten aufs Abstellgleis schieben
von KAI VON APPEN
Im Polizeiapparat wächst die Irritation über den Führungsstil von Polizeipräsident Udo Nagel. Der Bayern-Import ist polizeiintern deshalb umstritten, weil er Personalentscheidungen nicht nach Kompetenz treffe, sondern nur noch ein Kern von Ja-Sagern und männlichen Studienkumpels um sich gescharrt habe. Erfahrene KriminalistInnen und EinsatzführerInnen werden dagegen immer mehr aufs Abstellgleis rangiert. Intern hat sich die Führungsriege um Nagel und die Polizeidirektoren Werner Jantosch, Peter Born und Kuno Lehmann wegen ihrer Hau-Ruck-Mentalität den Spitznamen „die Hemdsärmel-Truppe“ erworben.
Jüngstes Opfer der Hemdsärmel ist Kriminaldirektor Manfred Quedzuweit. Der erfahrene Kriminalist war zunächst noch auserkoren worden, in Extremfällen wegen seiner Erfahrung bei Geiselnahmen und Entführungen in die Kommadozentrale gerufen zu werden. Doch Nagel ließ ihn nun wieder von der Liste streichen. Zuvor bereits war Quedzuweit als Dozent an die Fachhochschule für den Polizeinachwuchs abkommandiert und ins Abseits gestellt worden.
Zum Verhängnis ist Quedzuweit der lange Arm von Ex-Innenstaatsrat Walter Wellinghausen geworden, der auch nach seiner Suspendierung noch Einfluss hat. Wellinghausen verdächtigt Quedzuweit, dass er Interna über die Nebentätigkeiten des Ex-Staatsrats an die Öffentlichkeit lancierte. Wellinghausen hatte 2002 Nagel den Job verschafft und ihn aus München an die Elbe geholt.
Dass Quedzuweit als Informant in Frage kommt, ist indes nicht abwegig. Zuletzt als Leiter des Dezernats für Wirtschaftskriminalität und bis 2000 als Chef des Dezernats Organisierte Kriminalität (OK) hatte er theoretisch die Möglichkeit, Einblick in Wellinghausens lukratives Engagement unter anderem bei der Isar Klinik II zu bekommen.
Quedzuweit leidet nicht das erste Mal unter politischer Unbill: Sein Dezernat Organisierte Kriminalität ermittelte im Jahr 2000 gegen Schutzgelderpresser, die im Verdacht standen, den Betreiber des Nobelbordells „Funny Club“ am Lokstedter Steindamm zu erpressen. Dabei tauchten Augenzeugenberichte auf, dass der damalige SPD-Innenstaatsrat Wolfgang Prill zu den Stammgästen des Etablissements gehört haben sollte. Als Quedzuweit Prill und SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage mit dem Verdacht konfrontierte, wurde er versetzt. Der routinierte Fahnder bekam den Auftrag, die Rathaus-Ausstellung „125 Kriminalpolizei“ zu organisieren.
Nun hat es ihn erneut erwischt: Nur sieben Tage, nachdem Quedzuweit seinen neuen Job als Abschnitts-Chef im Bereich südlich der Elbe angetreten hat, ist er strafversetzt worden. Dass der Leiter des Landeskriminalamtes (LKA), Michael Daleki, dem nichts entgegensetzt, gilt intern als nicht sehr verwunderlich. Denn nach den Pannen bei der Fahndung nach dem Karstadt-Erpresser Dagobert 1993 ist der damalige Chefermittler Daleki als Notnagel an die LKA-Spitze gesetzt worden und nimmt dort, so heißt es intern, nur eine Alibi-Funktion war. „Das Landeskriminalamt wird zunehmend ins Abseits gedrängt“, sagt ein Kriminalist. „In der Polizei haben die Hemdsärmeligen der Schutzpolizei das Sagen.“
Dass die Hemdsärmeligen in der Vergangenheit wegen ihrer Mentalität bei vielen Demo-Einsätzen in Sachen Bambule kein glückliches Händchen hatten, vermag dann auch nicht zu verblüffen. So gesteht Polizeiführer Kuno Lehmann ein, dass die Einkesselung von Bambulisten am 21. Dezember des Vorjahres vor Karstadt auf der Mönckebergstraße so nicht von ihm gewollt war und hat den Eingekesselten wenn auch minimale Entschädigungen angeboten. Die unteren Schergen fühlen sich nun brüskiert „und ziemlich mies“, wie es ein Polizeioffizier formuliert. Denn sie hätten ja nur das ausgeführt, was ihnen befohlen worden ist.
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