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Unfaires Tauschgeschäft für Studis

Zahltag in der Kölner Uni, und tausende stehen Schlange: An nur einem einzigen Tag sollen Studierende ihre ab heute ungültigen Kopierkarten gegen Bares eintauschen. Die Firma, deren Vertrag mit der Uni auslief, ist vom Andrang überfordert

Von Ruth Helmling

Tobias ist extra früh aufgestanden, damit er es bis kurz vor neun in die Uni schafft. Jetzt steht er im ersten Stock des Hauptgebäudes – und das seit zweieinhalb Stunden. Vor ihm warten 150 Studierende, hinter ihm weitere 300, die meisten stumm und verschlafen, ein paar regen sich leise auf. Andere haben vorgesorgt, lesen stehend und gehen lesend alle paar Minuten einen Schritt vorwärts. „Es geht ja nicht um viel Geld, es geht ums Prinzip“, meint Tobias und nimmt vier Kopierkarten aus seinem Geldbeutel: Zwei gehören ihm, eine ist von einem Freund, auf der vierten Karte steht in blauen Buchstaben FMK.

FMK hieß die Firma, die bis vor zwei Jahren die Kopiergeräte in der Kölner Uni stellte. Als sie Pleite ging, stieg die Niehler Firma Moning ins Geschäft ein. Zum heutigen 1. Oktober lief dieser Vertrag aus, Moning räumt seine Geräte weg und die Studenten sollten ihre Kopierkarten zurückgeben. Aus Gründen, die Firmenchef Albert Moning bisher nicht sagen will, sollten die Studenten ihre 1,53 Pfand und das Guthaben nur an einem einzigen Tag ausbezahlt bekommen: dem 30. September (taz berichtete).

Albert Moning selbst ist heute nicht da. „Feiger Hund!“, schimpft ein Student, der ihm gerne seine Meinung gesagt hätte. Drei Mitarbeiter hat Moning zur Schlangenbewältigung im Uni-Hauptgebäude abgestellt. Mechanisch schiebt der erste die Kopierkarten ins Lesegerät, tippt etwas in den Taschenrechner und gibt die Zahlen an Kollege drei weiter. Auf mehreren DIN-A4-Seiten sind die Pfandbeträge für jede denkbare Anzahl an Kopierkarten aufgelistet. Kollege drei zahlt den Betrag aus. Geht ihm das Geld aus, bestellt Kollege eins per Handy Neues. Kollege zwei macht Striche. 1.000 Kopierkarten, so die Schätzung, seien allein in den ersten zwei Stunden zurückgekommen, das Guthaben pro Karte lag zwischen 0 und 70 Euro.

Die Schlange wächst hinten schneller, als die drei den Kopf kürzen können. Um halb zwölf liegt die Abbaugeschwindigkeit bei 30 Studenten pro Stunde. „Bis 16 Uhr schaffen die das nie“, meint Tobias.

Die Universitätsverwaltung will sich am Montag mit den Juristen zusammensetzen und dann mit dem AStA über die weiteren Schritte entscheiden. „Erstens kann Moning unserer Ansicht nach die Auszahlung nicht auf einen Tag beschränken, und zweitens sind wir der Meinung, dass er das FMK-Guthaben auszahlen muss“, erklärt Gaby Hennig von der Verwaltung.

„Der Trick dabei ist ja, wenn tausend sagen, das tu ich mir nicht an, dann ist das ein guter Stundenlohn für den Moning“, meint Tobias. Er habe so ungefähr sechs Euro auf seiner Kopierkarte. Eine Frau mit grauen Haar geht die Schlange entlang und wedelt mit ihrer Kopierkarte. „Hier, schenk ich euch! Wollt ihr die haben?“ Stummes Kopfschütteln. Die Studenten im ersten Viertel der Reihe wissen inzwischen: Für FMK-Karten gibt‘s nichts. Dass Moning das Pfand der insolventen Firma nicht ausbezahlt, können die meisten noch verstehen. „Man konnte aber die ganze Zeit die Karten noch aufladen“, regt sich Anna auf. „Das ist der Skandal dabei.“ Anna arbeitet als studentische Hilfskraft und darf die Karten für ihren gesamten Lehrstuhl zurückgeben. „Wenn es meine Zeit wäre, würde ich niemals hier stehen.“ Wer aufgibt, verschenkt seine Karte. Wer durchhält, kann am Schluss bis zu zehn Karten zurückgeben.

Um kurz nach zwölf steckt Kollege eins Tobias‘ Karten ins Lesegerät. Kollege zwei macht drei Striche. Kollege drei holt die Münzen aus seiner Kasse. 15 Euro nochwas. Tobias nickt zufrieden. Es geht ums Prinzip.

Am Nachmittag stehen immer noch hunderte Schlange. Die Kollegen eins, zwei und drei stellen eine Verlängerung über 16 Uhr hinaus in Aussicht.

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