: Vergiftete Atmosphäre
Geht’s gut? Wenn nicht, liegt es vielleicht an der Wohnung. Milben, Schimmel und chemische Schadstoffe können das Leben in den eigenen vier Wänden schwer machen. Wer gesund wohnen will, muss sich vernünftig einrichten und richtig lüften
VON LARS KLAASSEN
Gesundheit ist viel wert. Kein Wunder, dass allerorten richtige Ernährung und genügend Bewegung angemahnt werden. Es gibt auch Wege, sich Gutes zu tun, ohne fasten oder schwitzen zu müssen: gesund wohnen. Aber auch das ist gar nicht so einfach, wie es klingt. Wie soll man überhaupt wissen, ob in den eigenen vier Wänden alles in Ordnung ist? Erste Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt, ist in der Regel Unwohlsein.
Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Reizungen an Nase oder Augen sind Indizien, die auf ein schlechtes Raumklima hindeuten können. Die genaue Ursache können in der Regel nur Fachleute feststellen. Schon die Grundfrage lässt sich nicht ohne weiteres beantworten: Ist die Luft vielleicht zu trocken, zu feucht oder zu warm? Gerade wenn Schadstoffe oder Pilzsporen in der Luft sind, kann das Empfinden, die Luft sei trocken, täuschen. In solch einem Fall macht zusätzliche Luftbefeuchtung alles noch schlimmer, da etwa der Pilzsporen- oder auch der Formaldehydgehalt dann noch weiter ansteigt.
In den meisten Fällen ist die Luft in Wohnräumen heutzutage ohnehin feucht genug. Gut abgedichtete Fenster reduzieren den Luftaustausch so stark, dass genug Feuchtigkeit beim Wohnen freigesetzt wird: Duschen, Abspülen, Kochen, Wäsche trocknen, Zimmerpflanzen und auch die Ausdünstungen der Bewohner reichen in einer isolierten Wohnung aus. Doch gerade Hausstaubmilben mögen hohe Luftfeuchtigkeit – vor allem in Betten, Teppichen und Polstermöbeln. Sie gedeihen am besten bei einer Luftfeuchtigkeit von 50 bis 75 Prozent. Bei gutem Raumklima liegt die Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 50 Prozent. Um die Milben abzutöten, muss dieser Wert allerdings über mehrere Wochen unter 30 Prozent liegen.
Schimmelpilze tummeln sich ebenfalls gerne in feuchten Ecken. Was viele allerdings nicht wissen: Diese Sporen sind für das bloße Auge oft unsichtbar. Feuchtigkeit, bei der Pilze schon wachsen können, ist auch durch Anfassen in der Regel noch nicht spürbar. Nur unter bestimmten Bedingungen entstehen gut sichtbare Flecken. Pilzbefall kann zwar mit Essigessenz oder Waschlösungen abgescheuert werden. Entscheidend ist aber die Beseitigung der Ursachen, und da hilft nur trocken legen. Ein klassischer Fehler: Wenn schlecht isolierte Altbauwohnungen von innen mit Styroporplatten oder Isoliertapete gedämmt werden, finden Schimmelpilze dahinter beste Wachstumsbedingungen.
Auch Lüften und Heizen will gelernt sein. Feuchtigkeit, die durchs Kochen oder Duschen entstanden ist, sollte zügig nach draußen, nicht in den Gang, gelüftet werden. Kellerfenster sollten im Sommer, gerade an feucht-warmen Tagen, geschlossen, aber im Winter zeitweise geöffnet werden. Wer bereits Probleme mit Wandschimmel hat, sollte die Zahl der Zimmerpflanzen reduzieren.
Aber nicht nur ungebetene Bio-Gäste können einem das Leben schwer machen. Unsere Wohnräume sind auch gespickt mit chemischen Stoffen, die uns nicht gut tun. Formaldehyd etwa ist stark rückläufig, kann aber in Pressspanplatten oder Fertigparkett aus länger zurückliegenden Jahren noch vorhanden sein. Auch Möbel und Einrichtungsgegenstände können Giftiges enthalten: Weichmacher im Duschvorhang, Pestizide in der Lederimprägnierung, Lösemittel im Schranklack – mögliche Schadstoffquellen gibt es viele. Und es sind nicht immer nur Relikte aus vergangenen Zeiten. Einige fertig abgetönte Farben etwa, die heute im Baumarkt erhältlich sind, können das Wohnklima ganz schön vermiesen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung von 19 abgetönten Wandfarben, die das Frankfurter Öko-Test-Magazin in seiner Juni-Ausgabe veröffentlicht hat. So fanden die von Öko-Test beauftragten Labore in sieben Produkten gesundheitsschädliche Konservierungsstoffe, in der Wilckens-Farbe stecken sogar kräftige Mengen des krebsverdächtigen Styrols.
Wer ein Haus bauen möchte, sollte nicht erst bei der Auswahl der Materialien auf Schadstoffe achten, sondern schon im Vorfeld das Grundstück unter die Lupe nehmen. Gemeindeverwaltung, Landratsamt oder auch die Nachbarn können über die frühere Nutzung Auskunft geben. Vorsicht ist geboten, wenn der Bauplatz künstlich aufgeschüttet worden ist, dort Lagerhäuser oder eine Tankstelle gestanden haben. Behörden oder Vorbesitzer sollten die Altlastenfreiheit des Grundstücks vorsichtshalber schriftlich bestätigen.
Stellt sich erst nach dem Bau heraus, dass das Grundstück belastet ist, empfiehlt sich zügige Ursachenforschung. Boden- und Luftanalysen sind bezahlbar, wenn klar ist, wonach man überhaupt suchen sollte. Meistens reicht es, den Keller abzudichten oder den Boden im Garten auszutauschen. Ein letzter Trost, für alle, die es hart erwischt: Bei gefährlichen und großflächigen Altlasten sind Verursacher oder der öffentliche Träger häufig zur Sanierung verpflichtet.
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