ORTSTERMIN: DIE VERLEIHUNG DER HERBERT-AWARDS IN HAMBURG: Der Ball bleibt rund
Irgendetwas stimmt nicht mit der Skala der Gerüche. Da sind die Parfüms der Frauen in den Abendkleidern, natürlich. Und die Parfüms der Herren in den Anzügen, markant, sportlich. Aber diese dritte Komponente? Dieses leicht ungesunde? Lack, der trocknet? Die Nase kommt nicht dahinter, aber die Augen: Die Firma Pattex hat auch einen Stand auf dieser Veranstaltung. Die Mitarbeiter des Klebstoffherstellers lassen sich kopfüber von einem Brett baumeln, an dem Schuhe angeklebt sind. Daneben steht ein Fußball-Tor. Das wird zwar an diesem Abend nicht benutzt, aber es gehört dazu, seit Sepp Maier eine Pattex-Werbetour begleitet hat.
Der Werbestand muss im Hamburger Elysée-Hotel anstinken gegen die Stände einer Fast-Food-Kette, einer Molkerei, eines Paketservices und einer Schnapsdestille. Überdeutlich ist, dass Profi-Sport und Sponsoring zusammengehören wie Geschwister. Wie Geschwister, die noch einen Bruder haben, und das ist der Sportjournalismus. Die drei spielen miteinander. Ihr Spielplatz sind die Medien.
Es geht um die Verleihung des Herbert-Awards. Das sind Preise, die nach einer Umfrage unter mehr als 10.000 Sportlern an Sportjournalisten vergeben werden. Der Herbert-Award ist gedacht als Antwort auf die Veranstaltung „Sportler des Jahres“, bei der Sportjournalisten am Ende eines Jahres Sportler auszeichnen und das ZDF überträgt. Benannt ist der Herbert-Award nach dem Radioreporter Herbert Zimmermann, der bei der Fußball-WM 1954 unter anderem den Satz sagte: „Turek, du bist ein Fußballgott!“ Zimmermann musste sich für diesen Satz entschuldigen, weil der einflussreiche Bankier Robert Pferdmenges fand, „Fußballgott“ sei ein gotteslästerlicher Ausdruck.
Heutzutage wird sich im Sport ungern entschuldigt, der Sport ist Unterhaltung, es geht um Sieger und Verlierer und um Emotion. Eine der ernsthaften Debatten im Sportjournalismus dreht sich um die Frage, wie bei allem Verlangen nach Nähe noch journalistische Distanz gewahrt werden kann. Das Fernsehen begegnet dem Problem, indem es Personalunionen herstellt: Sportler werden in ihrer zweiten Karriere Journalisten. Das spiegelt sich auch bei den Herbert-Awards. ZDF-Experte Oliver Kahn bekommt einen Preis: „Newcomer des Jahres“. Kommentatorin Franziska van Almsick schafft die „beste Karriere nach der Karriere“, Jürgen Klopp ist „bester Sportexperte“. Bester Live-Kommentator ist Béla Réthy. Ein Nicht-Sportler, fürwahr.
Oliver Kahn bedankt sich bei dem ZDF-Mitarbeiter, der „erkannt hat, dass ich nicht nur anderen Leuten in den Hals beißen kann, sondern durchaus fähig bin, ein Mikrophon zu halten“. Es wirkt noch etwas grobschlächtig, wie sich Kahn auf der Bühne bewegt. Aber im Halten, da ist er gut. Immer schon. KLAUS IRLER
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