piwik no script img

Krieg, Schönheit, Harmonie

Pest oder Cholera? Die Diskussion über die Option Schwarz-Grün wird lauter in der GAL. Matti Lembke, grüner Fraktionsvize in der Bezirksversammlung Altona, fordert jetzt im taz-Interview, diese Option frühzeitig öffentlich zu thematisieren

Interview: SVEN-MICHAEL VEIT

taz: In der GAL mehren sich die Stimmen, dass die SPD nicht der einzig mögliche Koalitionspartner sei. Ist Schwarz-Grün kein Tabu mehr?Matti Lembke: Das ist richtig. Wir Grüne müssen gucken, mit welchem Partner wir unsere Ziele am besten umsetzen können. Auf der Bezirksebene gibt es immer wieder Punkte, an denen wir mit der CDU besser zusammenarbeiten können als mit der SPD. Meine Fraktion in Altona hat die Zuverlässigkeit der CDU schätzen gelernt, mit der SPD ist das schwieriger. Was man heute mit der verabredet, kann morgen schon wieder ganz anders aussehen. Auch Hamburg-weit wäre gegenüber der Union grünes Profil besser zur Geltung zu bringen.

Durch Auseinandersetzungen in einer Konflikt-Koalition?

Die SPD hat ja immer die Tendenz, unsere guten Ideen als eigene auszugeben, und das, was ihr nicht passt, zu blockieren. Die Stadtbahn zum Beispiel hat der frühere SPD-Bausenator Eugen Wagner so lange verzögert, bis Rot-Grün die Wahl verlor. Dass Schwarz-Schill die nicht will, ist klar, mit der SPD aber war sie auch nicht zu realisieren.

Also wäre Abgrenzung vom Partner ein wichtiger Bestandteil einer Koalition?

In der griechischen Mythologie ist Harmonie die Tochter von Kriegsgott Ares und Aphrodite, der Göttin der Schönheit: Harmonie entsteht aus der Begegnung von Gegensätzen. Das ließe sich – als Vision zumindest – in praktische Politik umsetzen.

Zum Beispiel in der Innen-, Sicherheits- und Ausländerpolitik?

Natürlich muss man in vielen Bereichen sehen, wie groß die gemeinsame Schnittmenge tatsächlich ist, das gilt gerade auch für dieses Thema. Bei Jugend, Senioren und auch bei der Stärkung der Bezirke sind wir uns aber mit der CDU oft näher als mit der SPD. Ich habe mehr Angst vor dem verdeckten rechten Potenzial in der SPD als vor den zehn Prozent bekannten Chaoten in der CDU.

In der praktischen Zusammenarbeit gäbe es aber vermutlich mehr Konflikte als mit der SPD?

In der rot-grünen Koalition 1997 bis 2001 haben wir uns zu wenig aus dem Fenster gelehnt. Deshalb schien das friedlicher, als es tatsächlich war. Im Rechts-Senat jetzt hat die Schill-Partei zum Beispiel die Meinungsführerschaft beim Thema Poller oder in der Kopftuchfrage. Der Kirchenstaatsvertrag scheiterte im Frühjahr am Veto Schills. Das heißt: Die strapazieren das Bündnis, um sich zu profilieren.

Für die GAL wäre es in jeder Koalition wichtig, Themen zu setzen und die Meinungsführerschaft in wichtigen Punkten wie Integrationspolitik oder mehr soziale Lebensqualität in Hamburg innezuhaben.

In Kiel stellt Schwarz-Grün seit sechs Monaten die Mehrheit im Stadtrat – ein reines Zweckbündnis. Reicht sowas für eine fruchtbare Koalition?

Nein, sicher noch nicht. Aber es reicht, um frühzeitig eine Option zu thematisieren. Ob es zu einer Gestaltungskoalition langt, muss sich zeigen. Aber die Debatte darüber muss frühzeitig beginnen. Im Hinblick auf Schwarz-Grün geht es zurzeit darum, diese Option auch in der Öffentlichkeit vorzubereiten. Die WählerInnen dürfen damit nicht überrascht werden, die müssen das auch sexy finden.

Auf dem Parteitag am Samstag steht die Koalitionsfrage aber nicht zu Debatte.

Nein, das wäre auch zu früh. Wir sind in Hamburg in der Mitte der Legislaturperiode, das ist ein guter Zeitpunkt, um Gedankenspiele auf ihre Tauglichkeit zu testen. Mitte der 90er Jahre hatte Ole von Beust über die Möglichkeit Schwarz-Grün schon mal laut nachgedacht, jetzt sollte die GAL das von sich aus tun. Von einer eigenen grünen Mehrheit kann man ja nicht einmal träumen, also brauchen wir Partner. Und die heißen SPD oder CDU – Pest oder Cholera.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen