demonstrieren als chance: Nein sagen ist unbequem
Es ist so weit: Erklärt werden muss, warum es sinnvoll ist, gegen den geplanten Soziallabbau zu demonstrieren.
Darauf eingeschworen, dass es zur Agenda 2010 keine Alternative gibt und dass gespart werden muss, weil früher zu viel geprasst wurde, wird derzeit den politischen Bürokraten das Feld überlassen und zu den gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Kürzungsszenarien geschwiegen. Weil zu den Bürokraten nun auch die Gewerkschaften und jene Parteien gehören, die die sozialen Rechte einst errungen haben, die sie nun abschaffen, fehlen die großen Tonangeber des Protests. Hinter ihrem Apparat kann sich niemand mehr, der gegen den geplanten Soziallabbau ist, verstecken. Das als Chance zu begreifen ist die Herausforderung. Wer jetzt zur Demo geht, sich das Recht auf Kritik nicht nehmen lässt und das Recht, Alternativen zu formulieren, tut seine Meinung als Einzelner kund. Gegen die Politiker, gegen die Parteien, gegen die Medien.
Es gibt Alternativen zum Sozialabbau. Etwa eine Subventions- und Steuerpolitik, die die Wirtschaft stärker zur gesamtgesellschaftliche Verantwortung zieht. Dafür gehen die Leute heute auf die Straße. Nicht gegen etwas; für etwas. Für eine gerechte Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen. Da nicht hinzugehen mit der unbestechlichen, weil sich so leicht selbst bewahrheitenden Begründung „Es hilft ja doch nichts“ hat Folgen: Der Verlust, sich als politisches Subjekt wahrzunehmen, verbirgt sich darin und die Gefahr, Leibeigener der eigenen Meinung zu werden.
WALTRAUD SCHWAB
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