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Integration ist billiger als Ausgrenzung

Der „Runde Tisch für Integration“ erinnert die Kölner Ratsparteien an die Umsetzung der bereits beschlossenen „neuen“ Flüchtlingspolitik. Je mehr Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis hätten, desto mehr könne die Stadt an Sozialhilfe sparen

VON JÜRGEN SCHÖN

Eine junge Afrikanerin hat in Köln ihren Schulabschluss gemacht, eine Lehrstelle ist ihr versprochen – doch die darf sie nicht annehmen. Als geduldeter Flüchtling hat sie keine Arbeitserlaubnis. Ein Afrikaner hätte sein Geld als Fußballer in der 2. Liga verdienen können. Doch auch hier Einspruch von der Ausländerbehörde. Rund 300 Flüchtlinge warten auf ein fachärztliches Gutachten, das über ihre Abschiebung entscheidet. Doch die Ausländerbehörde hat keine Ärzte, und das Gesundheitsamt darf nicht wie früher einspringen.

Nur drei Beispiele, die Vertreter des Kölner Runden Tischs für Integration am Montag vorstellten. Beispiele, die zeigen, dass es an der „Integration von Menschen, die als Fremde zu uns kommen, immer noch hapert“, so Peter Canisius. Die anhaltenden Verhandlungen der Ratsfraktionen, „bei denen viel von Koalitionen, aber nicht von Inhalten geredet wird“, nahm der Vorsitzende des Förderkreises Runder Tisch zum Anlass, die Politiker an ihre Pflicht zu erinnern, politische Prioritäten zu setzen. Die Integration von Migranten und Flüchtlingen sei für eine „langfristig tragfähige Entwicklung und das friedliche Zusammenleben in unserer Stadt unverzichtbar“. Dies sei eine nachhaltigere Politik als dort zu sparen, „wo sich die Betroffenen am wenigsten wehren können“, wie dies in der Vergangenheit geschehen sei. Zumal man umgekehrt mit Integrationsförderung sogar Geld sparen könne.

So erinnerte Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrates, an die Umsetzung der neuen Flüchtlingspolitik, wie sie noch vom alten Rat verabschiedet worden sei. Die sieht unter anderem, nach dem Vorbild von Münster, nach drei Jahren Aufenthalt in Köln eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge in Wohnungen statt in Sammellagern vor. „Ein Quadratmeter in einem Wohnheim kostet monatlich 24,56 Euro, in einer Wohnung nur 11,30 Euro“, rechnete er vor.

Von der Stadt verlangte Prölß, ihre zuständigen Stellen zu einer „humanitären Auslegung“ der aktuellen Gesetze und des ab Anfang 2005 geltenden Zuwanderungsgesetzes anzuweisen. Dazu zählt er vor allem, dass Menschen, die schon lange als Flüchtlinge geduldet werden, endlich eine mit der Arbeitserlaubnis verbundene Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Dies könne, wie etwa in Leverkusen, in Schritten geschehen. „Jeder Flüchtling, der arbeiten darf, entlastet den öffentlichen Haushalt“, so Prölß. Bei jungen Menschen sollte die Duldung bis zum Abschluss einer Ausbildung verlängert werden. Eine gute Ausbildung erleichtere die Wiedereingliederung im Heimatland. Der Runde Tisch sei bereit, mit der Stadt die „Spielräume“, die das Ausländerrecht einräumen, auszuleuchten, damit sie „menschlich“ genutzt werden können.

Eine weitere Forderung des Runden Tischs an die Stadt ist die vermehrte Anstellung von Migranten und Migrantinnen bei städtischen Behörden. „Die Tatsache, dass jeder vierte Kölner einen Migrationshintergrund hat, muss sich auch in der Verwaltung widerspiegeln“, meinte Canisius und stellte fest: „Jeder Apotheker geht besser auf seine fremdsprachige Kundschaft ein als die Stadt.“ Bei der Auswahl künftiger Mitarbeiter sei eine Fremdsprache wichtiger als „perfekte“ Deutschkenntnisse. Um die Anstellung von Migranten voranzutreiben, müsse das Interkulturelle Referat in ein Amt umgewandelt werden. Dafür möge es im Moment vielleicht kein Geld geben, doch wenn das nächste Mal eine Amtsleiterstelle frei werde, müsse die hier eingesetzt werden, denn nur ein Amt könne bei der Einstellung von Mitarbeitern mitentscheiden. Ähnlich sei auch die Frauenförderung erst mit dem Gleichstellungsamt für Frauen in Schwung gekommen.

Aber auch eine Quote könne hilfreich sein: So forderte Ali Kemal Gün, Psychotherapeut an den städtischen Kliniken, der ebenfalls am Runden Tisch sitzt, eine Migrantenquote für städtische Beschäftigte. Güns Hauptaugenmerk gilt der Gesundheitsversorgung von Migranten. Diese seien einem erhöhten Krankheitsrisiko ausgesetzt. Es fehle vor allem an fremdsprachigen Psychotherapeuten. So käme auf 35.000 „deutsche“ Kölner ein Therapeut, für die rund 90.000 Türken ständen dagegen nur zwei bereit.

Dass Integration auch durch fehlende Sprachkenntnisse der Migranten erschwert wird, bestritt der Runde Tisch nicht. „Viele wollen Deutsch lernen“, sagte Reinhard Hocker, aber es fehle oft an den geeigneten Angeboten. So fehlten insbesondere Sprachkurse für „bildungsunerfahrene“ Menschen, hat der Leiter der Beratungsstelle beobachtet, die vom Unterstützerkreis für von Abschiebung bedrohte Kinder und Jugendliche betrieben wird. Dafür reiche es aber nicht, eine Lehrerin anzustellen, die nur Deutsch kann. „Sie kennt die Schwierigkeiten des Spracherwerbs nicht, die sich aus unterschiedlichen Sprachstrukturen ergeben.“

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