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Entmietung auf russische Art

Sicherheitskräfte räumen das Moskauer Büro der George-Soros-Stiftung. Der US-Milliardär, der sein Engagement für die russische Zivilgesellschaft ohnehin schon zurückfährt, hatte die Festnahme des Ölmilliardärs Michail Chodorkowsky kritisiert

aus Moskau KLAUS-HELGE DONATH

Vierzig vermummte Sicherheitskräfte drangen am vergangenen Wochenende in das Moskauer Büro der Stiftung des US-Milliardärs George Soros ein und räumten es besenrein. Das Open Society Institute des Financiers, der sich für die Förderung von Demokratie und Zivilgesellschaft in Osteuropa einsetzt, sitzt auf der Straße. Nach Angaben des Vermieters sei die Stiftung ihren Mietverpflichtungen nicht nachgekommen. Die Parteien befinden sich in einem Rechtsstreit.

Beobachter vermuten hinter dem Vorgehen politische Motive. Soros hatte den Kreml wegen der Festnahme des Ölmilliardärs Michail Chodorkowsky und Konfiszierung seiner Aktienanteile am Yukos-Konzern in einer russischen Zeitung kritisiert: „Der Überfall von Herrn Putin sendet eine klare Botschaft, dass unabhängiges Handeln nicht toleriert wird“, meinte Soros und gab zu bedenken, ob Russland tatsächlich ein Platz in der Gruppe der G-8-Industrienationen gebühre.

„Ich kann nicht ausschließen, meinte auch die Leiterin des Open Society Institutes Jekaterina Genijewa, „dass die Aktion vom Geheimdienst angestiftet wurde, der mit Banditen und Halunken zusammenarbeitet und sich an Herrn Soros wegen seiner Haltung im Fall Chodorkowsky rächen will“. Im Frühjahr hatte die Stiftung wegen massiver Störversuche seitens der russischen Behörden das Engagement deutlich eingeschränkt.

Die Staffette der Soros-Stiftung wollte Yukos-Chef Michail Chodorkowsky übernehmen. Der Ölmilliardär gründete 2001 in Anlehnung an die „Offene Gesellschaft“ des US-Financiers den Fonds Otkrytaja Rossija (offenes Russland). Nachdem Chodorkowsky von allen Ämtern im Yukos-Konzern Anfang der Woche zurückgetreten war, ließ er aus dem Gefängnis heraus wissen, dass er sich fortan der Arbeit in der Stiftung widmen wolle. Für deren Vorstand konnte unter anderem der Ex-US-Außenminister Henry Kissinger gewonnen werden. Eines Tages solle Otkrytaja Rossija (OR), meinte Chodorkowsky auf der Gründungsveranstaltung, in einem Atemzug mit den Stiftungen Carnegies, Mellons und Rockefellers genannt werden.

Seither folgt die Öffentlichkeitspolitik der Stiftung der Philosophie: Tue Gutes und rede laut darüber. Zweifelsohne verfolgte Chodorkowsky durch karitatives Engagement und Bildungsoffensive ursprünglich das Ziel, sich vom Makel eines Räuberbarons reinzuwaschen und das Unternehmen für Fusionen mit westlichen Partnern attraktiv zu machen. Mit Spenden, eine Million Dollar für die Library of Congress, suchte er den Zugang zur besseren US-Gesellschaft. Laut Fonds-Management bestreitet OR ein Fünftel aller sozialen Projekte, an denen die russische Wirtschaft beteiligt ist.

Die Integration Russlands in den Westen und den Ausbau der Zivilgesellschaft deklariert die Stiftung als ihr Langzeitziel. Nach Angaben der Stiftung kamen 300.000 Schüler in den Genuss kostenloser Computer-, Internet- und Sprachkurse. Schulen und Bibliotheken wurden mit Computern ausgestattet und ans Internet angeschlossen. 200 Millionen US-Dollar seien bislang investiert worden. Russischen Stipendiaten finanziert der Fonds ein Studium an ausländischen Universitäten.

Der nächste Haushalt stellt mit 50 Millionen US-Dollar für Bildung und Programme zur politischen und staatsbürgerlichen Aufklärung mehr Geld zur Verfügung als im Vorjahr. Mit dem Ausbau der Sektion „Zivilgesellschaft“ reagierte der Fonds auf die zunehmende Einschränkung demokratischer Freiheiten unter Präsident Putin. Einen Journalistenwettbewerb zum Thema „Willkür der Macht“ muss der Kreml als Kampfansage verstehen. Auch hat Chodorkowsky eine Universität für Geistes- und Sozialwissenschaften erworben. Mit Nachsicht darf der gefallene Oligarch nicht rechnen, schon gar nicht mit einer Führungsrolle in der Stiftung. So bleibt ihm nur die Wahl zwischen innerer Emigration oder Exil.

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