: Hoher Ölpreis schützt die Kohle
Die Braunkohle wird mit bis zu vier Milliarden Euro jährlich massiv subventioniert. Doch laufen grüne Forderungen nach einer Kohlesteuer ins Leere: Das umweltfreundlichere Erdgas bleibt zu teuer
VON ANDREAS WYPUTTA
Die Reaktion der Opposition war mehr als harsch: Die Grünen seien „ein Sicherheitsrisiko für NRW“, polterte Gerhard Papke, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Ausgerechnet die „grünen Ökosozialisten“ torpedierten „Milliardeninvestitionen in neue Braunkohlekraftwerke“, erregte sich der Wirtschaftsliberale – die leisteten „mit deutlichen Immissionswerten einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz“.
Dabei hatte Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Grünen, eigentlich nur Selbstverständliches gefordert: Alle Energieträger müssten steuerlich gleich behandelt werden, sagt Priggen – im Gegensatz zur Braunkohleverstromung wird bei der umweltfreundlicheren Verbrennung von Erdgas nicht nur Mehrwert-, sondern auch Mineralölsteuer fällig. „Diese Ungleichbehandlung muss beendet werden“, mahnt Priggen in Richtung Berlin: SPD-Bundesfinanzminister Hans Eichel müsse entweder auf die doppelte Erdgas-Besteuerung verzichten oder eine Kohlesteuer einführen. „Außerdem ist nicht einzusehen, dass die Braunkohle wertvolles Grundwasser ohne Entgeld entnimmt“, legt Priggen gegenüber der taz nach – Industrie und Privathaushalte müssen ein so genanntes Wasserentnahmeentgelt zahlen, befreit ist nur die Stein- und Braunkohleförderung. Kostenvorteil für die Braunkohle: Rund 230 Millionen Euro im Jahr.
Hintergrund des neuen Kohlestreits ist eine Studie des renommierten Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie: Im Auftrag von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hatten die Forscher den Subventionsbedarf der Braunkohle untersucht. Nicht nur für SPD-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, der immer wieder behauptet, die riesigen Tagebaue etwa im rheinischen Revier kämen ohne Unterstützung aus, dürfte das Ergebnis ernüchternd sein: Allein die Steuerbegünstigungen summieren sich auf über eine Milliarde Euro. „Unter Einbeziehung der Umweltschäden kostet die Braunkohle sogar mehr als vier Milliarden jährlich“, sagt Priggen – die Tagebaue zerstören ganze Regionen, senken den Grundwasserspiegel um mehrere hundert Meter ab.
Nötig ist eine Lösung auf Bundesebene, wo eine neue Energierichtlinie der Europäischen Union schon seit elf Monaten auf Umsetzung wartet. Die traditionell kohlefreundliche SPD wird Finanzminister Eichel wahrscheinlich zum Verzicht auf die Erdgas-Doppelbesteuerung drängen. Zum Durchbruch wird das den umweltfreundlichen Gaskraftwerken aber ebenso wenig verhelfen wie die massiven Proteste des Bundes für Umwelt und Naturschutz gegen neue Kraftwerke, die wegen des schlechten Brennwerts der Braunkohle ein Vielfaches des Klimakillers Kohlendioxid ausstoßen: „Der Preis für Erdgas ist noch immer an den Ölpreis gekoppelt“, klagt nicht nur Priggen – „und der hat sich in diesem Jahr verdreifacht“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen