: „Die goldenen Jahre sind wohl vorbei“
Die kleinen Buchläden hoffen, mit einem speziellen Angebot und gutem Service ihre Kunden halten zu können. Die großen fürchten, das Lesepublikum überhaupt zu verlieren. Eine Umfrage unter Berliner Buchhändlern
Thorsten Willenbrock,
Buchhandlung Kisch & Co:
„Soweit ich das von anderen Buchhandlungen höre, sieht der Markt schlecht aus, viele mussten in den letzten Jahren schließen. Für uns ging es seit 2002 ständig bergab, allerdings hat es sich in den letzten Monaten wieder etwas belebt. Ich habe das Gefühl, das Geld fehlt. Und Hartz IV wird bei uns in Kreuzberg wohl noch mal Auswirkungen haben. Zurzeit sind bei uns öfter Touristen da als früher, die Stammkundschaft hat weniger Geld.“
Kurt von Hammerstein,
Hundt Hammer Stein,
Buchhändler:
„Generell gesagt ist die die allgemeine Lage schlecht, doch für uns Buchhändler ist die Buchpreisbindung eine große Hilfe, weil wir Einzelhändler dann bei besserem Service die gleichen Preise wie die großen haben. Wir haben unsere Buchhandlung gerade erst eröffnet und denken, wir werden uns hier in Mitte, umgeben von Spezialbuchhandlungen, sehr gut behaupten können, da wir gewissermaßen allein sind. Insofern geht es uns in schlechten Zeiten ganz gut.“
Katja Reichard,
Buchhandlung Pro Qm:
„Uns geht es gut. Das liegt daran, dass das Programm von drei KünstlerInnen erstellt wird, jenseits der buchhändlerischen Gepflogenheiten, so sind unsere Regale übervoll, unser Bestand an Titeln aus nicht so populären Themenbereichen ist – gemessen am Üblichen – viel zu groß. Wir vermeiden es auch eher, uns von großen Verlagen zu große Stapel hinzustellen, weil wir nicht auf Bestseller achten.
Wir importieren viel aus den USA, aus Großbritannien und Japan, Urban Studies und Kunst, und ich glaube, gerade diese Spezialhaltung macht den Reiz unserer Buchhandlung aus; da gibt es keine Konkurrenz zu Großbuchhandlungen. Dussmann und Hugendubel haben sogar schon mal Kunden zu uns geschickt, das war für mich ein kleiner Sieg. Wir sind eben keine Kiezbuchhandlung, auch wenn wir jeden Titel bestellen. Vielleicht geht es uns verhältnismäßig gut, weil wir an unsere Themen halt überhaupt nicht ‚buchhändlerisch‘ herangehen, wir gehen von unseren Interessen aus, wenn wir Titel bestellen.“
Heike Vasel,
Buchladen Schwarze Risse:
„Ich habe den Eindruck, dass die Kundinnen und Kunden zwar weniger Geld, aber nicht weniger Interesse und Lust am Lesen haben. Allerdings scheint das Interesse an Belletristik etwas nachzulassen.
Den Druck vonseiten der Großfilialisten spüren wir hier nicht, dort hat man ja gar nicht die Qualifikation und den Willen, mit uns zu konkurrieren. Vieles von dem, was unsere Kundinnen und Kunden suchen, würden sie in den Filialen der Großbuchhandlungen gar nicht finden.
Diese haben ein Interesse, die Anzahl der Lieferanten zu reduzieren, damit reduzieren sie die Anzahl der vorrätigen Titel. Denen ist es egal, was sie verkaufen. Uns nicht, deswegen bin ich für uns hier zuversichtlich.“
Martin Setzke, Buchhandlung
Hugendubel am Tauentzien:
„Natürlich müssen wir uns alle warm anziehen, also alle Menschen, die im Kulturbereich arbeiten. Die goldenen Jahre des Buchhandels sind wohl vorbei. Anzeichen dafür sind: Die besonderen Dinge, die der Buchhandel anbietet, Klassikerausgaben etwa, werden immer weiter zurückgeschraubt. Der Kampf, der der Branche voraussteht, ist nicht der mit der Konkurrenz, sondern der, überhaupt noch eine Lesepublikum zu ziehen. Für den vertreibenden Buchhandel ist es schwierig, denn wenn der Kunde sich daran gewöhnt, auch gebrauchte Bücher zu kaufen, wird das den Umsatz schmälern. Auch denke ich, dass für viele Bereiche der Buchproduktion die Zielgruppe immer kleiner wird, sodass sich auch die Vertriebswege zum Endkunden ändern. Hugendubel in Berlin geht es allerdings zurzeit richtig gut.“
PROTOKOLLE: JÖRG SUNDERMEIER
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