: Schönheitsoperation für den „Vlaams Blok“
Weil Belgiens oberstes Gericht den „Vlaams Blok“ als rassistisch einstuft, mildert die rechtsextreme Partei ihreRhetorik und nennt sich fortan „Vlaams Belang“. Das soll staatliche Finanzhilfen sichern und zu Koalitionen verhelfen
BRÜSSEL taz ■ Die oberste Berufungsinstanz in Belgien hat am Dienstagabend ein Urteil vom April diesen Jahres gegen den „Vlaams Blok“ bestätigt: Die flämische Partei wurde damals in Gent wegen Rassismus und Diskriminierung zu einer Geldstrafe verurteilt. Geklagt hatte das belgische Zentrum für Chancengleichheit und die flämische Menschenrechtsliga. Gestern beurteilte der Kassationshof die Entscheidung als korrekt und wies den Revisionsantrag der Partei zurück. Auch drei Unterorganisationen des Blok wurden als rassistisch eingestuft.
Sollte der Blok als Konsequenz aus dem Urteil die staatliche Finanzhilfe zurückzahlen müssen, würde das für die Partei das Ende bedeuten. Denn private Parteispenden sind in Belgien verboten. Um dieses „Todesurteil“ abzuwenden, hatte der Blok bereits am vergangenen Samstag sein Parteiprogramm geliftet. Der Passus, wonach nichteuropäische Ausländer aus Belgien abgeschoben werden sollen, wurde durch die Forderung ersetzt, Ausländer müssten die Gesetze achten. Wer europäische Grundprinzipien wie die Trennung von Staat und Kirche nicht respektiere, müsse ausgewiesen werden.
Kommendes Wochenende will die Partei ihre Schönheitsoperation mit einem neuen Namen abrunden. „Vlaams Belang“ (Flämische Interessen) soll die Partei künftig heißen. „Großmutter, warum hast du dich so verändert?“, fragt ein Rotkäppchen von den flämischen Christdemokraten in der Karikatur im gestrigen Soir. „Damit ich besser mit dir regieren kann!“, antwortet der böse Wolf in Großmutters Bett. Die Veränderungen sind kosmetischer Natur, da sind sich die belgischen Kommentatoren einig. Allerdings könnte der neue „Vlaams Belang“ mit seinem gemäßigten Programm für die demokratischen Parteien koalitionsfähig werden. Bislang halten sich alle an den „Cordon Sanitaire“, eine Regierungsbildung unter Beteiligung der Faschisten wird nicht in Betracht gezogen. Diese demokratische Vereinbarung könnte nun bröckeln.
Der Vorsitzende des flämischen Parlaments, Norbert De Batselier, erklärte gestern im belgischen Rundfunk, über eine mögliche Rückzahlung der Parteifinanzierung müsse das Plenum entscheiden. 2003 habe der Blok 1,6 Millionen Euro an Zuschüssen erhalten. Er persönlich halte finanzielle Sanktionen nicht für eine gute Strategie gegen den Rechtsextremismus.
Eliane Deproost vom belgischen Zentrum für Chancengleichheit äußerte sich zufrieden, dass ein langer Rechtsstreit mit dieser eindeutigen Entscheidung zu Ende gehe. Es sei für ihre Organisation ein unhaltbarer Zustand gewesen, Privatleute, Vermieter und Arbeitgeber wegen diskriminierenden Verhaltens vor Gericht ziehen zu können, während die politischen Verführer straffrei ausgingen. Allerdings sei der Kampf mit diesem Urteil nicht zu Ende. Wähler überall in Europa fühlten sich zunehmend zu rassistischen Bewegungen hingezogen.
Die Kommentatoren der belgischen Zeitungen spekulierten gestern darüber, dass der Blok mit seinem gelifteten Programm Wähler einbüßen könnte. Die Rückbesinnung auf rein nationalistische Forderungen wie Gründung eines unabhängigen flämischen Staates mit Brüssel als Hauptstadt komme bei den Wählern weniger gut an als ausländerfeindliche Parolen. Der Durchbruch für den Blok kam 1991, als er mit rassistischen Parolen beim so genannten schwarzen Sonntag in Flandern zehn Prozent der Stimmen in der Parlamentswahl holte. Bei den Regionalwahlen im Juni diesen Jahres waren die Christdemokraten mit 24,2 Prozent nur noch knapp stärkste Kraft geworden. Für den Blok stimmten 24,1 Prozent der Wähler. Derzeit liegt der Blok laut Umfragen in der flämischen Wählergunst bei über 26 Prozent.
DANIELA WEINGÄRTNER
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