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Auf der Suche nach Privatkunden

Umorientierung bei Deutschlands Großfinanz: Commerzbank und Deutsche Bank finden Kleinkunden wieder interessant. Commerzbank stampft Investmentsparte ein und streicht 900 Stellen

AUS FRANKFURT AM MAIN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Die Commerzbank entdeckt eine längst abgeschriebene Spezies wieder: die Filialkunden. Das neue Vorstandsmitglied Achim Krassow soll sich ab sofort ausschließlich um das Privatkundengeschäft kümmern. Das sagte der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, bei der Bilanzvorstellung für das dritte Quartal 2004 – Verlust: 208 Millionen Euro.

Der neue Privatkundenbeauftragte Krassow war bislang Chef der Commerzbank-Tochter „Comdirekt“ und holte den größten deutschen Onlinebroker in zwei Jahren aus den roten Zahlen.

Auch das lange vernachlässigte Geschäft mit den mittelständischen Unternehmen will Vorstandschef Müller wieder beleben. Ein Job für Martin Blessing: Das Vorstandsmitglied betreute bisher das Privatkundengeschäft, aber nur nebenbei.

Die Privatkunden wurden noch vor wenigen Jahren vom Branchenprimus Deutsche Bank zur Bank 24 abgeschoben: mit eingeschränktem Service, einem Netz aus Automatenbanken und dem penetrant vorgetragenen Verweis auf das „Onlinebanking“. Dass sich aber mit ihnen gutes Geld verdienen lässt, hatte zuvor schon Ernst Breuer, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Banken, konstatiert. Im Privatkundengeschäft, so der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, liege sogar „die Zukunft“ für den Bankenstandort Frankfurt am Main. Und das meint offenbar nicht nur Breuer.

Noch vor wenigen Jahren hatte er genau das Gegenteil verkündet: Weg vom Privatkundengeschäft – hin zum Investmentbanking und zur Vermögensverwaltung. Doch weltweit das große Rad zu drehen, gelang auch der Deutschen Bank kaum, trotz der – inzwischen umstrittenen – internationalen Ausrichtung der Bank unter Josef Ackermann; und die kleinere Commerzbank schaffte es noch weniger. Dem Geschäft mit multinationalen Konzernen und Großunternehmen war die im internationalen Vergleich kleine Commerzbank wohl nicht gewachsen. Die Sparte fuhr nur Verluste ein – in den letzten zwei Jahren rund 200 Millionen Euro. Vorstandssprecher Müller zog jetzt die Notbremse und kündigte den Rückbau des Bereiches an. Das kostet allerdings auch viel Geld und schmälert die Bilanz 2004 und wohl auch 2005.

Es müssen vor allem Abfindungen gezahlt werden an die Investmentbanker der Commerzbank in London, New York, Tokio oder anderswo, die auf Müllers Abschussliste stehen. Insgesamt werden etwa 500 Investmentbanker ihre Jobs verlieren und auch knapp 400 Computer- und Telekommunikationsfachleute im „Back office“. In der Investmentzentrale Frankfurt will Müller das Personal nur geringfügig abbauen.

Mit der „Ausdünnung“ der Sparte komme die Commerzbank jetzt international im „Bonsai-Format“ daher, hieß es schon despektierlich in der Börsenzeitung. Und tatsächlich ging es gestern „kleinklein“ weiter: Beim defizitären Investmentbanking bekommen die Bankangestellten kein Weihnachtsgeld mehr, wohl auch um das Dividendenversprechen an die Aktionäre für 2005 nicht brechen zu müssen. Shareholder’s value; employees’ misery – Aktionärsglück ist eben oft der Angestellten Unglück.

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