Leises Trommeln für den Euro: Paris: Will Francis Mer doch mehr sparen?
VON DOROTHEA HAHN
„Pakt gebrochen“, titelte das liberale Blatt Libération. „Europa in der Wachstumskrise“, hieß es auf der Eins des konservativen Figaro. Und zahlreiche Beobachter diagnostizierten, dass der Stabilitätspakt nun tot sei. Nicht wenige fügten hinzu: „Besser so. Wenn wir ihn bis zum Äußersten eingehalten hätten, wäre die Rezession noch schlimmer.“
Doch der Mann in Paris, der an der Spitze des Ministeriums für Finanzen sitzt, kommt zu einem anderen Schluss. Francis Mer sagt: „Der Stabilitätspakt lebt. Die einzige angemessene Frage lautet: Wie kommen wir aus dem schwachen Wachstum heraus?“
In Frankreich sind die Folgen des vom Stabilitätspakt auferlegten Sparzwangs offenkundig. Der ursprünglich für 2003 verabschiedete Haushalt ist bereits um mehr als 5 Milliarden zusammengestrichen worden. Betroffen davon sind Investitionen in öffentliche Transportmittel, in den sozialen Wohnungsbau, die Arbeitslosenversicherung und den Umweltschutz.
Nachdem Frankreich und Deutschland verschärften Sparauflagen der EU am Dienstag nur knapp entgingen, hat Finanzminister Mer gestern in Paris „zusätzliche französische Anstrengungen zur Sanierung der Staatsfinanzen“ versprochen. Unter anderem will er das strukturelle Haushaltsdefizit seines Landes im nächsten Jahr nicht um 0,7, sondern um 0,77 Prozent senken. Das ist ein Schritt auf Brüssel zu, das einen Defizitabbau von 1 Prozent verlangt. Zu den zusätzlichen Maßnahmen gehöre – so Mer – die Streichung eines Feiertags, des Pfingstmontags. Den eigenen Landsleuten hingegen hatte die Regierung diese Arbeitszeitverlängerung vor wenigen Wochen mit einem ganz anderen Argument verkauft. Da hieß es, durch das Pfingstopfer solle die Altenversorgung verbessert werden.
Das Boulevardblatt Le Parisien will wissen, dass Finanzminister Mer möglicherweise auch massive Arbeitsplatzstreichungen im öffentlichen Dienst plant. In seiner Dienstagausgabe schrieb das Blatt, 33.500 Arbeitsplätze sollten gestrichen werden. Mer hatte bislang von 4.561 gesprochen.
Offiziell freilich setzt der Finanzminister allein auf eine Wiederbelebung des Wachstums. Sollte es sich positiv entwickeln, will er sämtliche Mehreinnahmen zum Abbau des Haushaltsdefizits benutzen, hat er in Brüssel versichert. Was Francis Mer jedoch wirklich will, blieb gestern unklar. Denn im Radiosender Europe 1 kündigte er stattdessen an, die Steuern weiter senken zu wollen.
Im Parlament debattierten unterdessen ein paar Abgeordnete über die EU-Osterweiterung. Bei der für gestern Nachmittag geplanten Abstimmung wollten sich die rechten und linken „Souveränisten“ enthalten und vereinzelt auch dagegen stimmen. Und sogar bei den notorisch proeuropäischen Sozialisten entschied eine Gruppe von 15 Abgeordneten, sich der Stimme zu enthalten. „Wir wollen die Osterweiterung“, erklären diese Linken „aber wir wollen ein soziales Europa. Kein liberales.“
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