ITALIEN: FRATTINI GEHT NACH BRÜSSEL. FINI KÖNNTE NACHRÜCKEN: Ein „A-Faschist“ als Außenminister
Wer hätte das noch vor wenigen Jahren gedacht? Gianfranco Fini hat beste Chancen, Italiens neuer Außenminister zu werden – und so gut wie niemand in Europa empfindet das als Skandal. Jetzt, da der bisherige Amtsinhaber Franco Frattini in die EU-Kommission wechselt, ist Fini der einzige ernsthafte Kandidat für den Ministersessel in Rom. Jener Fini, der zugleich Chef der Alleanza Nazionale ist, des aus der faschistischen Partei hervorgegangenen rechten Koalitionspartners Berlusconis. Jener Fini, der noch vor gut zehn Jahren Mussolinis Marsch auf Rom feierte, der den Duce gar als „größten Staatsmann des Jahrhunderts“ lobte.
Jener Fini aber hat sich nach 1994 neu erfunden: als demokratischer Politiker, der mit den Rechtsradikalen in Europa brach, der heute auf Abstand zu Le Pen und Haider hält, der stattdessen fleißig im Europäischen Verfassungskonvent mitgearbeitet hat, der als Vize-Ministerpräsident auf Staatsbesuch nach Israel fährt, der in vielen europäischen Staatskanzleien mittlerweile einen weit besseren Ruf genießt als sein Dienstherr Berlusconi.
Würde Fini nur sich selbst vertreten, die europaweite Gelassenheit wäre berechtigt. Doch seine Partei? Die hat zwar politisch mit dem Faschismus gebrochen, nicht aber kulturell. In den Reihen der Alleanza Nazionale, ja selbst in ihren inneren Führungszirkeln, wimmelt es von Nostalgikern. Die kommen nicht mehr im Schwarzhemd zum Parteitag, aber sie finden nichts dabei, in den von ihnen regierten Kommunen Straßen nach Größen des faschistischen Regimes zu benennen oder Tagungen zu finanzieren, die dem Faschismus endlich „historische Gerechtigkeit“ widerfahren lassen und im Gegenzug den Befreiungskampf der „roten“ Partisanen ordentlich schlecht machen.
„A-Faschismus“ nennt Alleanza Nazionale diese feine dialektische Übung, die so tut, als gebe es zwischen Faschismus und Antifaschismus noch eine dritte Option. Recht verstanden kann diese Option nur bedeuten: Der Faschismus steht nicht mehr auf der Tagesordnung, aber eigentlich war er „in seinem Kontext“ durchaus respektabel. Überzeugte Demokraten sehen anders aus. MICHAEL BRAUN
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