: Kerner geht wieder ran
WECHSEL Johannes B. Kerner kehrt dem ZDF den Rücken und schmeißt sich Sat.1 an den Hals. Da gehört er auch hin
VON BORIS ROSENKRANZ UND STEFFEN GRIMBERG
Er sei einer der „kompetentesten Moderatoren Deutschlands“, jemand, der „auch das journalistische Angebot weiter ausbauen wird“. Von wem hier die Rede ist? Nicht erschrecken: von Johannes B. Kerner. Sat.1-Geschäftsführer Guido Bolten war es, der Kerner gestern diesen Quark um den Bart schmierte. Aber gut, was soll Bolten auch sagen? Er hat Kerner gerade zurück zu Sat.1 geholt.
Dass der, gelinde gesagt, nicht die Speerspitze des kritischen Journalismus bildet – geschenkt. Dumm nur, dass JBK just an dem Tag für seine Arbeit einen Rüffel kriegt, an dem sein Wechsel ins Privatfernsehen bekannt wird. Nicht intern, auch nicht von krittelnden Kollegen – sondern von einem seiner Talkgäste.
Ingrid Mühlhauser war am Dienstag in Kerners ZDF-Sendung. Thema: Vorsorgeuntersuchungen. Die Hamburger Medizinprofessorin steht solchen, etwa Darmspiegelungen, kritisch gegenüber, um nicht zu sagen: Sie lehnt sie wegen möglicher Nebenwirkungen ab und sagt das auch. Doch als Mühlhauser die aufgezeichnete Sendung am Abend sah, staunte sie zuerst – und beklagt nun, dass ausgerechnet ihre kritischsten Aussagen zum Thema herausgeschnitten wurden. Warum? Weil Kritik bei Kerner nicht erwünscht ist? Oder weil Mühlhauser vor der Sendung im Interview mit Spiegel Online die aktuelle Promi-Darmkrebsvorsorge-Kampagne der Felix-Burda-Stiftung als „einer aufgeklärten Gesellschaft unwürdig“ angriff – Kerner aber just einer dieser Promis ist?
Vom ZDF war dazu gestern keine Stellungnahme zu bekommen. Sicher ist nur: Kerners Arbeitsweise war auch in Mainz umstritten. Der smarte Tausendsassa warb für Air Berlin und thematisierte in seiner Sendung die Billigfliegerei. „Ein Journalist macht keine PR“, rüffelte damals ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, dem Kerner allerdings nur als Sportmoderator untersteht – „JBK“ fällt in den Verantwortungsbereich des langmütigen Programmdirektors Thomas Bellut.
Doch weil „JBK“ so erfolgreich ist, konnte es sich Kerner immer leisten, sein eigenes Ding zu machen. Auch die große Politik in seinem Late Talk zu thematisieren – ohne dass die dafür eigentlich Zuständigen beim ZDF groß mitreden konnten. Die Sendung produziert der freie ZDF-Mitarbeiter Kerner schon lange bei der Spiegel-Verlagstochter a+i in Eigenregie. Und nicht nur das jüngste Beispiel wirft die Frage auf, ob das ZDF eigentlich noch Herr seiner Sendung ist.
Ob ein neuer Deal mit Kerner nur am schnöden Geld oder an der weit wichtigeren Frage der redaktionellen Oberhoheit gescheitert ist, mag in Mainz niemand beantworten. Finanzielle Knausrigkeit beim ZDF ist allerdings schwer vorstellbar – schließlich ist Kerner seit Jahren Quotengarant und Dauerabonnent auf den Titel „Deutschlands beliebtester Sportjournalist“.
Und so gibt man sich offiziell auch ganz versöhnlich: „Wir hatten zwölf erfolgreiche Jahre miteinander. Das ZDF hat die Verlängerung der Zusammenarbeit angeboten“, lässt Intendant Markus Schächter mitteilen: „Ich habe aber auch Verständnis dafür, dass Johannes Kerner jetzt nach neuen Horizonten strebt.“
So viel ist sicher: Sat.1 wird weniger Probleme als das ZDF mit den weiten Horizonten des JBK haben. Sein Vertrag mit dem Zweiten läuft allerdings noch bis Jahresende, auch wenn er ihn wohl nicht unbedingt bis zum letzten Tag erfüllen dürfte. Mit Markus Lanz, der schon im vergangenen Sommer Kerners Kochshow übernahm und Kerner auch schon mal im Haupttalk vertrat, steht ja in jedem Fall ein git eingespielter Ersatzmann bereit. Unter journalistischen Gesichtspunkten? War gestern ein eher guter Tag fürs ZDF.
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