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berliner szenen Kulturverluste

2-Liter-Milch bedroht

Beim kleinen arabischen Kiez Edeka sind sie zuerst verschwunden, dann beim Ex-Reichelt am Kottbusser Damm, jetzt aus dem edeka aktiv markt. „Ist Kapitalismus schuld, Profitgier“, sagt der Araber. Das Schweinesystem lebt also doch und hat einen der wichtigsten Vorteile Berlins gegenüber der Restrepublik getilgt: die 2-Liter-Milchpackung.

Die war immerhin schon 1983 einem Berliner Namens Tom in unserer WG in Freiburg so wichtig, dass er sie in seinem R4-Kofferraum über die holprige Transitstrecke bis nach Wessiland brachte. Beim Frühstück tauchten regelmäßig Leute auf, die ungläubig auf den Megatetrapack starrten. Bekiffte Berlinunkundige lachten sich tot oder glaubten an Sinnestäuschung durch Bewusstseinserweiterung.

Beim Umzug nach Westberlin schwor man sich, wann immer es ging, die Großpackung zu kaufen. Sogar als Single ließ man lieber die Milch versauern, als die Packung zu verraten. Leute, die Schlauchmilch anschleppten und von „vorteilhafter Ökobilanz“ laberten, waren uncool. Genau wie die romantischen Vertreter der braunen Glasflasche, die man vor Rückgabe immer spülen sollte, was von den WG-Spießern überwacht wurde.

Aber Schuld am Niedergang der Riesenpacks haben wahrscheinlich die elenden Idiotendiscounter Aldi, Netto und vor allem mein Hassladen Lidl. Die hatten auch als Erste die überflüssigen, müllträchtigen Plastiköffnungen in den Kartons. Aldi hatte früher gar keine Milch, dann nur die 1-Liter-Dünnmilch, die man den Molkereien zu Niedrigstpreisen abkauft. Um zu rationalisieren, haben die nun die Abfüllanlagen vereinheitlicht. Nur Butter Lindner hat den 2-Liter-Pack aus Dänemark noch. Hoffentlich geben die nicht auf.

ANDREAS BECKER

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