: Am Ende zählt der Klogang
OSTEUROPÄISCHE PFLEGEKRÄFTE Caritas-Studie befragt Haushalte mit Pflegebedürftigen und ausländischen Betreuerinnen: Nur mit deren Hilfe wird ein Umzug ins Heim verhindert
VON BARBARA DRIBBUSCH
Es ist eine bemerkenswerte Symbiose: In vielen tausend Haushalten hierzulande ersparen osteuropäische Pflegekräfte den gutbürgerlichen gebrechlichen Hochbetagten den Heimaufenthalt. Für mehr als die Hälfte dieser Familien sei die Beschäftigung einer mittel- oder osteuropäischen Haushaltshilfe zusätzlich zum regulären ambulanten Pflegedienst „die einzige Alternative zur vollstationären Versorgung“, sagte am Donnerstag Michael Isfort, Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (dip).
Im Auftrag der Caritas hat das dip die erste Studie über mittel- und osteuropäische Haushaltshilfen erstellt, die inoffiziell oft auch Pflegetätigkeiten mit verrichten. 100.000 dieser Frauen arbeiten in Deutschland, so schätzen Experten. 154 Familien ließen sich schriftlich über ihre Hilfskräfte befragen. Diese kommen unter anderem aus Polen, Rumänien, Tschechien, Ungarn, Bulgarien und der Ukraine.
Aus den Antworten ergibt sich, dass der Großteil der Pflegebedürftigen Hilfe bei der Haushaltsarbeit und der Essenszubereitung benötigt. Die Hälfte braucht auch Unterstützung beim Baden und Waschen. Fast 40 Prozent benötigen Hilfe beim Gang zur Toilette und wollen eben nicht in Windeln herumsitzen, bis der ambulante Pflegedienst kommt. Gerade die Begleitung beim Toilettengang sei eben „nicht terminierbar“, meinte Isfort. Für die Alten sei daher eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung notwendig.
Die Betreuerinnen werden privat entlohnt. Viele von ihnen kommen als „Haushaltshilfen“ über Agenturen und gelten damit nach der Entsenderichtlinie als legal, erklärte dip-Forscherin Andrea Neuhaus. Für die Betreuerinnen werden monatlich mindestens 1.300 Euro fällig. Davon müssen Sozialabgaben im Heimatland gezahlt werden. Überdies kassieren die Agenturen in der Regel hohe Gebühren.
Zun überwiegenden Teil arbeiten die Betreuerinnen „irregulär“ und kosten damit nur die Hälfte im Vergleich zu den über Agenturen vermittelten Frauen, so Neuhaus. Die Mehrzahl der Haushalte beschäftigt neben einer Betreuerin aus Polen oder Rumänien auch noch die Dienste einer ambulanten Pflegestation, die mit den Pflegekassen abgerechnet werden können.
Die Nutzerhaushalte attestierten ihren Hilfskräften einen „hohen Grad an Verbindlichkeit“, heißt es in der Studie. Bei 37 Prozent kam es nie zu einem unerwarteten oder frühzeitigen Abbruch oder Wechsel der Betreuerin. Oft bleiben die Hilfskräfte drei Monate im Haushalt und gehen dann einige Wochen auf Heimaturlaub, während dessen sie vertreten werden, erklärte Neuhaus. Mitunter aber wechselten sich auch zwei Hilfskräfte in einem Drei-Monats-Rhythmus ab.
Dass das Arbeitsverhältnis dieser im Haushalt mitlebenden Pflegekräfte und die wechselseitige Abhängigkeit auch ein bisschen verklärt werden, zeigt sich in der Aussage von mehr als zwei Dritteln der Nutzer, die Betreuerin sei „in die Familie voll integriert“. Dies ist aber eine einseitige Einschätzung – zur Heimatfamilie der freundlichen Pflegerin aus Polen oder Rumänien hat nämlich nur jeder fünfte Nutzerhaushalt engeren Kontakt. Die Haushalte mit den Pflegebedürftigen unterstützen aber zu zwei Dritteln den Kontakt der Betreuerin zur Heimatfamilie, etwa durch die Bereitstellung von Internet- und Skype-Anschlüssen. Dies ist bemerkenswert, da es sich ja oft um Haushalte mit älteren Personen handelt.
Die Stiftung Warentest stellt in ihrem am heutigen Freitag erschienenen Heft die Testergebnisse zu 17 Vermittlungsagenturen für Hilfskräfte vor. Danach lösen diese Agenturen die „Personalsuche zufriedenstellend“, hieß es bei der Stiftung. Jedoch machen viele Agenturen nur einen Personalvorschlag pro Anfrage, manche äußern sich auch in „rechtlich bedenklicher Weise“ über die Arbeitsverhältnisse. Am besten schnitten laut Stiftung Warentest die Agenturen ActioVita, ihrepflege.eu und Proviteahuman 24 h ab.
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