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MATTHIAS URBACH über DER PERFEKTE KAUFDer Motor schnurrte wie ein Leopard

Kaum leiht man sich mal ein Auto, verliebt man sich gleich. Was soll‘s, ein Auto ist doch nicht so teuer. Oder?

Ich bin ein rationaler Mensch. Ich fahr mit der U-Bahn zur Arbeit, wink mir ab und zu ein Taxi heran, verreise bequem im ICE. Und falls ich doch mal ein Auto brauche, dann leihe ich es mir.

Neulich wollte ich eine Waschmaschine nach Berlin schaffen und orderte übers Wochenende einen Citroën Picasso – das ist ein erstaunlich geräumiger Minivan. Selbst bei Tempo 180 rollte der schicke Flitzer wie auf Schienen, sein Motor schnurrte wie ein Leopardenbaby, der digitale Tacho schimmerte samtig grün. Behutsam bremste ich ihn Montag früh vorm Starcar-Verleihbüro und tätschelte das Armaturenbrett. Ich fühlte mich wie ein Groupie nach dem Rockkonzert: Ich wollte, ich musste ihn haben.

Meine Frau hat Verständnis: Ihre Wehen machen sie empfänglich für Autos. „Wie sollen wir bald zwei Kinder und all das Zeugs überall herumschleppen?“, säuselt sie und atmet in den Bauch. „Und bei meinen Eltern wären wir auch schneller.“

Die Schwiegereltern! Führen wir mit dem eigenem Wagen vor, würden sie mich endlich respektieren. Bisher muss ihre Tochter öffentliche Verkehrsmittel nutzen – das ist nicht standesgemäß.

Das Argument, ein paar hundert Meter von unserer Haustüre entfernt warte ein DB-Carsharing-Auto auf uns, überzeugte meine Schwiegereltern nicht. Ehrlich gesagt, uns auch nicht. Ganze zweimal buchten wir das Auto in diesem Jahr. Problem Grenzkosten: Mit 5 Euro schlägt die Stunde im Ford Focus zu Buche, 50 Euro pro Tag. Wer will für eine Spritztour ins Grüne 40 Euro hinblättern – plus Sprit?

Nervig beim Carsharing ist das abwesende Personal: Vorm Fahren muss man in engen Parklücken um den Wagen kriechen, und das Blech inspizieren. Beide Male fand ich stattliche Dellen, die noch nicht im Fahrtenbuch vermerkt waren – und musste sie umständlich am Telefon erklären. Die reine Beulenpest.

Braucht man das Auto übers Wochenende, ist ein Autoverleih wie Starcar ohnehin günstiger. Meinen Picasso etwa überließ man mir von Freitag neun bis Montag neun für 91 Euro.

„Mein Picasso“ – wie wundervoll das klingt! Ich rufe beim Verkehrsclub Deutschland an. VCD-Sprecher Gerd Lottsiepen lässt meine Motorfantasien jäh vor den Kontoauszugsdrucker krachen. „Eine Fahrt im kleinsten Golf kostet pro Kilometer alles in allem rund 40 Cent“, sagt der Verkehrsexperte. „Wenn die Leute an jeder dritten Ampel 40 Cent einwerfen müssten, würden sie ihr Auto oft stehen lassen.“

Die Hand meiner Liebsten ruht tröstend auf meiner Schulter, während ich Website www.autobudget.de aufrufe. Ein neuer Picasso kostet mich bei durchschnittlicher Fahrleistung (14.000 Kilometer pro Jahr), Vollkasko plus Zinsen, Inspektionen und Sprit 6.150 Euro im Jahr – umgerechnet auf den Kilometer macht das 42 Cent. Da weder meine Liebste noch ich mit dem Auto zur Arbeit pendeln wollen (nerviger Verkehr, kein Parkplatz), fahren wir vermutlich eher halb so viel. Dann verschlingt das Auto 70 Cent pro Kilometer – da kann man sich gleich ins Taxi setzen.

Autobudget.de wirkt auf mich, wie ABS auf Reifen über Glatteis. Ich weiche auf einen drei Jahre alten Picasso und Teilkasko aus: Und komme je nach Fahrleistung auf 29 bis 42 Cent. Allein das Herumstehen, quasi die Leihgebühr, kostet 180 Euro im Monat – beim Neuwagen 310 Euro.

Mein Traum vom Auto platzt wie ein müder Reifen. Dafür muss ich mich nicht mit am Rücksitz gefesselten Kindern streiten, sondern kann mit ihnen die Schaffner beim Abfertigen des Zuges bewundern. „Schau, Papa, die Kelle!“ Auf die Bewunderung meiner Schwiegereltern muss ich halt weiter verzichten.

Fazit: Wer sich wundert, wo sein Geld bleibt, sollte mal die Autoquittungen addieren. Ansonsten empfehle ich das Kleinkinderabteil im ICE-3. Bei zu viel Gepäck trotze man der Beulenpest – und share ein Auto.

Fotohinweis: MATTHIAS URBACH DER PERFEKTE KAUF Fragen zu Mietautos? kolumne@taz.de Dienstag: Jenni Zylka über PEST & CHOLERA

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