: Jugendliche, die keiner will
Das Sonderprogramm zum Berufseinstieg für schwer vermittelbare Jugendliche droht zu scheitern. Experten werfen den Unternehmen vor, dass sie zu hohe Ansprüche an die BewerberInnen stellen
VON BARBARA DRIBBUSCH
Es sollte das große Hilfsprogramm werden für viele tausend Jugendliche, die in Deutschland keine Lehrstelle finden: Die so genannten Einstiegspraktika in der Wirtschaft, 25.000 an der Zahl, für schwer vermittelbare Jugendliche. Jetzt mehren sich die Anzeichen, dass das Programm ein Flop werden könnte: Die Anforderungen der Unternehmen an die Bewerber seien zu hoch und gingen deshalb an der schwierigen Klientel vorbei, klagen Berufsberater.
„Die Anforderungen der Arbeitgeber an die Jugendlichen sind oft vergleichbar mit denen an Bewerber für einen normalen Ausbildungsplatz“, sagt Manfred Roosch, Integrationsexperte in der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit (BA), „wenn das so weitergeht, wird am Ende diesen Jahres eine große Zahl dieser Praktikumsplätze deshalb gar nicht besetzt worden sein“. Berufsberater Gerald Meise von der Arbeitsagentur Mitte in Berlin wird deutlicher: „Manche Arbeitgeber wollen auch für die Praktikumsplätze Kandidaten mit einer zwei in Deutsch und Mathe. Doch die haben wir nicht, viele dieser Jugendlichen haben eben nur eine Vier.“ Das Sonderprogramm „Einstiegsqualifizierung Jugendlicher“ (EQJ) sollte sich allerdings genau an diese schwer vermittelbare Klientel wenden.
Bei den bis zu 12-monatigen Praktika trägt der Bund die Vergütung der TeilnehmerInnen. 25.000 dieser Praktikumsplätze will die Wirtschaft bis Ende des Jahres zur Verfügung stellen, mehr als 15.000 davon haben die Industrie- und Handelskammern schon vor Ort bei der Wirtschaft eingeworben. Ende Oktober waren laut Bundesagentur für Arbeit jedoch erst 600 Plätze besetzt. Dies liegt zwar vor allem daran, dass die EQJ-Plätze erst seit Mitte Oktober vergeben werden. Experten gehen deshalb davon aus, dass die Zahl noch beträchtlich steigen wird. Doch ob tatsächlich viele der 35.400 Jugendlichen, die laut Statistik noch keine Lehrstelle haben, eine Chance wenigstens auf einen EQJ-Platz haben, ist zweifelhaft. „Berufsberater haben uns schon berichtet, dass die Anforderungen der Unternehmen mancherorts höher sind als man vorher dachte“, fasst Karen Schober, Ausbildungsexpertin bei der BA in Nürnberg, zusammen.
Gerade angesichts der schwächeren Jugendlichen mit schlechten Deutsch- und Rechenkenntnissen „sagen die Unternehmen, sie könnten die notwendige Betreuung nicht leisten“, erklärt Roosch die mangelnde Bereitschaft der Wirtschaft, diese BewerberInnen einzustellen. „Viele der schwächeren Jugendlichen brauchen eben doch sozialpädagogische Betreuung“, meint dazu Anja Nussbaum, Bildungsexpertin bei der Industrie- und Handelskammer in Berlin.
Das EQJ-Programm sieht jedoch keine zusätzliche externe Betreuung vor. Auch sind die Tätigkeitsanforderungen durchaus anspruchsvoll. So bieten etwa Bistros Praktikumsstellen als „Speisevorbereiter“ an, Hotels wünschen sich Praktikanten für das „Housekeeping“ an der Rezeption und Tankstellen suchen Jugendliche für den Fahrzeugservice. „Arbeitgeber gucken da schon, dass die Leute so gut wie möglich sind“, sagt Ute Brüssel vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Viele der Praktikumsplätze verlangen von den Jugendlichen selbstständiges Arbeiten und gute Deutschkenntnisse für den Kundenkontakt. „Die Unternehmen wollen den guten Kandidaten“, so Roosch. Doch „gute Kandidaten“ finden bisher auch ohne Sonderprogramme einen ganz normalen Ausbildungsplatz.
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