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Die Diebe sind eure Kunden

PIRATE BAY Die schwedische Schriftstellerin Unni Drougge verschenkt ihr neues Hörbuch auf Pirate Bay. Sie will damit gegen die Kriminalisierung dieses neuen Wegs der Kulturverbreitung demonstrieren

Die Hörbuchfassung des neuesten Buchs von Unni Drougge gibt es nicht zu kaufen. Die verschenkt die schwedische Bestsellerautorin seit Ende letzter Woche – in Form des kostenlosen Downloads, und zwar demonstrativ auf der umstrittenen Filesharingseite http://thepiratebay.org.

Deren Macher waren vor anderthalb Wochen zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Darüber hinaus haben Schriftstellerkollegen wie Henning Mankell und Per Olov Enquist vor kurzem bei Gericht ein Musterverfahren gegen einen Internetuser anhängig gemacht. Dieser hatte einige ihrer Hörbücher zum Download ins Netz gestellt.

„Sie denken sich sicher nichts Böses dabei“, schreibt Unni Drougge, „viele meiner Kollegen, die sich als Kanonenfutter in diesen Krieg haben einspannen lassen, den die machtgeile Unterhaltungsindustrie inszeniert hat.“ Die 53-jährige Autorin kritisiert diese Haltung als „Ängstlichkeit oder Unwissenheit“.

Drougge dagegen bietet ihren aktuellen Titel „Boven i Mitt Drama Kallas Kärlek“ („Der Übeltäter in meinem Drama heißt Liebe“) nicht so wie ihre früheren Bücher über einen Hörbuchverlag anbietet – wonach diese dann sowieso schnell zum illegalen Download auf Pirate Bay landeten. Warum sie den „direkten“ Weg auf diese Filesharing-Seite nimmt? „Ich unterstütze mit vollem Herzen deren Initiative, Kultur und Information frei im Internet zu verbreiten.“

Die neuen Kanäle zur Vermittlung von Kultur schließen zu wollen, hält Drougge nicht nur für kurzsichtig. „Mächtige wirtschaftliche Interessen“ versuchten, „das Internet zu ersticken“, schreibt sie zur Begründung für ihren Schritt. „Diese altmodischen Hersteller und Vertreiber von Filmen, Musik, Büchern und Spielen wollen ihre alleinigen Rechte und ihre Gewinnmaximierung retten.“

Vor allem aber ist die Autorin besorgt über die Auswirkungen, welche die Barrieren haben, die man derzeit unter dem Vorwand der Verteidigung des Copyrights aufbaue. Diese bahnten „den Weg hin zu einer Überwachungsgesellschaft, in dem die Mitbürger bis in den kleinsten Winkel hinein verfolgt werden“. Werde man jetzt nicht wach, drohe „the end of the web as we know it“. Frustrierenderweise sei angesichts dieser Gefahr aber „das Einzige, was man aus dem Schriftstellerkollektiv hören kann, ein ahnungsloses Applaudieren für diese rein faschistoiden Kontrollmechanismen“.

Drougge fordert ihre KollegInnen, die bisher wohl eher impulsiv und im Affekt, statt mit Vernunft und Wissen reagiert hätten, ihrem Beispiel zu folgen. Gemeinsam solle man „einer völlig aus der Spur gelaufenen Unterhaltungsindustrie und rückwärtsgewandten politischen Kräften“ Widerstand leisten, um die „größte demokratische Plattform unserer Zeit“ zu verteidigen. Die Filesharer seien keine Feinde. „Das sind eure Fans und eure Kunden.“

Die Hörbuchfassung ihres Buchs produzierte Unni Drougge ohne Verlagshilfe mit Hilfe von Freunden selbst. In einem PS zu ihrem Torrent-Link auf Pirate-Bay teilt Drougge ihr Paypal-Konto mit. Wer wolle, könne ja etwas für den Download bezahlen. Aber das sei freiwillig. Achtundvierzig Stunden, nachdem sie das Buch ins Internet gestellt hatte, waren umgerechnet rund 2.500 Euro auf ihrem Konto eingegangen. „Ich wollte sehen, ob es eine Zahlungsbereitschaft gibt“, sagt Drougge: „Und mit dem Ergebnis bin ich hoch zufrieden.“

Das Modell sei nicht der Weisheit letzter Schluss, gesteht Drougge zu. Vielleicht sei Filesharing nur ein Übergangsphänomen. Bis es einmal gigantische „Kultur- und Wissensbanken“ im Internet geben werde, auf die jeder zugreifen kann. Für die Kulturschaffenden werden diese einmal die Möglichkeit bereitstellen, sich aus unterschiedlichen Quellen zu finanzieren, träumt Drougge. „Man muss den Schritt ins Neue wagen.“ Das Geschwätz von Filesharing als Diebstahl verstelle die Wege dahin nur. REINHARD WOLFF

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