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Überraschende Details

Verfassungsgericht verhandelt über einstweilige Verfügung gegen LBK-Verkauf. 1.500 Beschäftigte protestieren gegen die Privatisierung

von KAI VON APPEN und SARAH KALAGI

Es gibt keinen Grund, dass die hamburgische Bürgerschaft kommende Woche das Gesetz zum Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) im Eilverfahren absegnen muss. Denn der Vertrag zwischen dem noch amtierenden Rechts-Senat und dem privaten Klinikkonzern Asklepios ist noch nicht unterzeichnet und gewährt der Bürgeschaft zwölf Monate Zeit, über den Kontrakt abschließend zu beraten. Erst dann kann Asklepios von der Möglichkeit des Rücktrittsrechts Gebrauch machen. Das kam gestern in einer kurzfristig am Morgen anberaumten mündlichen Verhandlung des Hamburgischen Verfassungsgerichts ans Licht.

Kernpunkt ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Absicht des Rechts-Senats und der Bürgerschaft, vor dem nun auf den 29. Februar vorverlegten Volksentscheid „Gesundheit ist keine Ware“ durch Verabschiedung des LBK-Gesetzes vollendete Tatsachen zu schaffen. „Wir betreten verfassungsrechtliches Neuland, das für die Politik folgenschwere Konsequenzen haben kann“, betonte der Vorsitzende Wilhelm Rapp zu Beginn der Verhandlung. „Denn durch die neue Volksgesetzgebung gibt es sicherlich einen Machtverlust des Senats.“

Daher interessierten die neun RichterInnen in dem „Organklageverfahren“ vor allem zwei Aspekte: Ist die Initiative gegen den LBK-Verkauf in Person von ver.di-Landeschef Wolfgang Rose und DGB-Chef Erhard Pumm dadurch, dass sie bereits zwei Hürden (Volksinitiative, Volksbegehren) genommen hat, zu einem Verfassungsorgan geworden, das juristisch gegen den Senat agieren kann? Davon geht Rapp aus, „denn das Volk hat bereits entschieden, dass es entscheiden will“. Wenn die Initiatoren eines Volksentscheids in dieser Phase keine Durchsetzungskompetenz hätten, wäre die ganze Volksgesetzgebung „ein zahnloser Tiger“ und das damalige Gesetzgebungsverfahren „eine schreckliche Verstaltung gewesen“.

Probleme sieht Rapp allerdings in einem anderen Punkt. So habe der Wortlaut des Volksentscheides eigentlich nur Appell-Charakter, indem der Senat „aufgefordert“ werde, „sicherzustellen“, dass Hamburg Mehrheitseigentümer des LBK bleibe. Rapp: „Das heißt nicht, dass der Senat an den Volksentscheid gebunden ist.“

Zudem richte sich der Volksentscheid nicht an die Hamburger Bürgerschaft, die ja das eigentliche gesetzgebende Organ sei und über den Verkauf von Staatseigentum zu entscheiden hätte. Das Verfassungsgericht wird nächsten Montag auf jeden Fall eine Entscheidung verkünden. Rapp: „Wir stehen unter Zeitdruck.“

Unterdessen zogen gestern rund 1.500 MitarbeiterInnen des LBK nach einer zuvor anberaumten Personalversammlung – die der Senat unterbinden wollte – zum Allgemeinen Krankenhaus St. Georg und bildeten um die Klinik eine Lichterkette. Dabei erklärte der SPD-Gesundheitspolitiker Matthias Petersen: „Mit uns wird es den Verkauf des LBK so nicht geben.“

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