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Lebensader Fluss

Der Fotograf Kadir van Lohuizen bereiste den Niger, fast 4.200 Kilometer lang. Sechs weitere Flüsse folgten: Ganges, Jangtse, Amazonas, Ob, Mississippi und Donau. Ein Bildband dokumentiert seine Reisen auf den großen Flüssen dieser Erde

VON GUNDA SCHWANTJE

„Ich wollte von Afrika etwas anderes zeigen als die Klischees Elend und Krieg“, sagt Kadir van Lohuizen zum Ursprung seines Projekts „Aderen“ (Adern). Das andere Afrika suchen wollte er, nachdem der Fotojournalist in den Neunzigern in Angola, Sierra Leone und Mosambik durch Konflikte entwurzelte Menschen fotografiert hatte, Hungernde und Ausgelaugte, die sich irgendwie durchbrachten.

Flüsse sind für den Niederländer eine Metapher für Leben; wie Adern im menschlichen Körper versorgen sie eine Region. „Die Lebensader Westafrikas ist der Niger“, sagt Kadir van Lohuizen. Er bereiste den Fluss 1996, fast 4.200 Kilometer von der Quelle in Guinea, hoch hinauf in die Sahara Malis, durch Niger, Benin und schließlich zur Mündung in Nigeria. Auf Passagierschiffen und Pinassen. Eine langsame Flussfahrt. Eine mit Hindernissen. Ein anderes Afrika: Kadir van Lohuizen fotografierte Fischer, Fähren und Anlaufstellen, die Dörfer, die Hitze und das Warten. Und kam zu Bildern, die trotz der allgegenwärtigen Armut Stolz und Lebensfreude der Menschen zeigen. Dem Fotojournalisten gefiel es auf dem Fluss. Sechs weitere folgten, in sieben Jahren: Ganges, Jangtse, Amazonas, Ob, Missisippi und die Donau. Lohuizens eindringlichen Reportagefotos sind nun in der deutschen Ausgabe des Bildbandes „Rivers“ zu besichtigen.

Kadir van Lohuizen, geboren 1963 in Utrecht, fotografiert seit 1988 professionell, meist in Krisen- und Kriegsgebieten. Er publiziert im Volkskrant, Vrij Nederlands, Paris Match, Newsweek und wurde in den Niederlanden für seine Arbeit mit der Silberen Kamera ausgezeichnet und 1997 mit dem zweiten Preis beim World Press Award. Zum Fotojournalismus kam Kadir van Lohuizen 1986 als Backpacker auf den Philippinnen. „Das Regime Marcos griff brutal gegen die aufständische Bevölkerung durch und ich konnte nicht am Strand herumliegen“, erinnert er sich an den Beginn seiner fotografischen Berichterstattung.

Seine Arbeit an „Rivers“ bezeichnet Kadir van Lohuizen als „Ferien für die Psyche“. Pausen, Auszeiten seien das gewesen – von den Kriegen, von dem Elend, das er sonst ins Bild und an die Öffentlichkeit bringt. Ein pures Vergnügen war die Arbeit an „Rivers“ dennoch nicht. Van Lohuizen reist nicht erster Klasse, sondern wie die Einheimischen: Er nimmt überfüllte Buschtaxis, Boote, Bummelzüge. Er läuft. Das kann bedeuten: Hitze, Höhenkrankheit, Frost, Lebensmittelvergiftungen. Er nächtigt auf Zementsäcken, wenn es sein muss. So werden Begegnungen möglich, so findet er die Augenblicke, die er sucht. Seine Fotos erzählen von der Lebensqualität der Einheimischen oder von ihrer Not, von ihrem Talent, zu improvisieren, von Lebenslust und Gelassenheit, und sie zeigen die Bedeutung der Flüsse, des Wassers, für die Menschen.

Kadir van Lohuizen: „Rivers“. Sw.-Fotos mit Begleittexten des Fotojournalisten. Edition Braus, 240 Seiten, 59,90 €

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