: Niemand hat etwas gegen Henriette
Ob Stadtteilbeirat oder Sportverein: Viel Zuspruch aus der Lenz-Siedlung für den von der Räumung bedrohten Bauwagenplatz
Wenn man Mitgliedern vom Stadtteilbeirat im Quartier Glauben schenken kann, dann könnte die Lenz-Siedlung in Eimsbüttel als Modellprojekt sozialer Stadtwicklung bei verkorkster sozialdemokratischer Stadtplanung bundesweit einen Preis gewinnen. „Das Lenz-Quartier ist einzigartig“, sagt Martina Stahl vom Stadtteilbüro. In der Region leben Menschen aus 40 Nationen zusammen – alt und jung, in Trabantenhäusern, Plattenbauten, Einzelhäusern und im Altenheim oder als Gewerbetreibende und eben in 20 Gefährten auf einem Bauwagenplatz in der Herlingsburg. „Es ist einzigartig, dass Zusammenleben auf so engem Raum so konfliktfrei klappt.“
Daher ist Stahl entsetzt über die Ankündigung des Senats, den seit 1995 angesiedelten und geduldeten Bauwagenplatz „Henriette“ räumen lassen zu wollen, obwohl auch das Bezirksamt Eimsbüttel sich in den vergangenen drei Jahren für die Legalisierung dieser Lebensform per Vertrag stark gemacht hat. „Wir wollen, dass bei uns kein Konflikt geschürt wird.“
Das sieht auch der 1. Vorsitzende des Eimsbüttler Traditions-Sportvereins Grün-Weiß, Peter Torke, so: „Eine Entscheidung, die uns missfällt“, sagt Torke. „Wir passen zusammen, jeder kennt den anderen und es wird kooperiert.“ Nach einer Schnupperphase habe der Verein den BauwagenbewohnerInnen bedenkenlos ihre Vereinsduschen und Wasserzufuhr angeboten, die PlatzbewohnerInnen arbeiten im Gegenzug konstruktiv in der Quartiersentwicklung mit. „Wir haben ihnen alles zur Verfügung gestellt, was sie auf dem Platz nicht haben können.“
Die Lenz-Siedlung am Eidelstedter Weg zwischen Hagenbeckstraße und Stresemannallee ist Anfang der siebziger Jahre mit ihren Hochhäusern auf Brachland hochgezogen worden. Dass auch soziale Einrichtungen, Treffs und Infrastruktur gebraucht werden, haben die damaligen Stadtplaner weitgehend ignoriert. Daher ist Jörg Frischlin vom Jugendhaus Lenz-Siedlung auch froh, dass inzwischen „Toleranz“ und der Wille, das Quartier mitzugestalten, hoch angesiedelt sind. „Verschiedene Lebenswelten treffen aufeinander, die harmonisch und friedlich zusammenleben“, sagt Frischlin und denkt dabei an die Sprach- und Kulturvielfalt seiner Einrichtung, in die Henriette-Leute nicht nur ihre Kids hinschicken, sondern auch ehrenamtlich mitarbeiten. „Es gibt sicherlich Jugendliche, die sagen: So möchte ich nicht wohnen“, konstatiert er, „andere finden aber auch die Lebensform dort sehr interessant.“ Frischlin: „Wer hat Interesse, dieses alles kaputtzumachen?“
„Das ist ein reiner Machtkampf“, sagt Henriette-Bewohnerin Natalie Ratalyracevic. „Es gibt keine Beschwerden von Nachbarn und der Polizei.“ Und auch für Wagennachbar Leonhard Friedrich gibt es nur eine Erklärung. „Es ist der Versuch, gezielt linke Projekte zu zerschlagen und zu verwerten.“ Denn plötzlich soll auf dem Areal für viel Geld ein Park entstehen, was auch Martina Stahl verwundert. „Viele Ideen des runden Tisches konnten nicht verwirklicht werden, weil das Geld fehlt“, sagt sie. „Plötzlich ist Geld für etwas da, das niemand will.“
Für Ratalyracevic und Friedrich bedeutet das Leben in Bauwagen Lebensqualität, daher scheinen Alternativen für sie unrealistisch. „Es ist völlig absurd, uns in eine Wohnung stecken zu wollen.“ Kai von Appen
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