adventskalender (4/5): Das Schlossportal
Stehen Sie auf fade Schokotäfelchen? Wir auch nicht. Die Türen des taz-Adventskalenders verbergen anderes: geheime Schätze und wilde Tiere. Sex and Crime. Letzte Dinge. Bis Weihnachten öffnen wir täglich eine Tür – auf einem Kalender namens Berlin.
Es war einmal ein wunderbares altes Schlossportal. Sein Aufbau bestand aus einem dreiachsigen Risalit. Der Schmuck war barock, ebenso italienisch beeinflusst waren die Hermen. Auch die Wappenkartusche über den Rundbogenfenstern mit eingestellten Säulen hatte der Baumeister Johann Friedrich Eosander Anno dunnemal 1713 für das berühmte so genannte Schlossportal IV entworfen. Es war das schönste der ganzen Stadt und der Kaiser und manchmal auch das Volk gingen da hinein in das Berliner Stadtschloss.
Weil aber der Krieg kam und danach die DDR, die nichts mit der feudalen Hohenzollernhochburg am Hut haben wollte, ging es dem Schloss schlecht. 1950 flog es – „peng!“ – in die Luft. Nur weil die Sprengmeister Teile des Portals IV zuvor herausgenommen hatten – als Erinnerung an einen sozialistischen Führer – ist heute nicht alles in Schutt und Asche.
Jener Führer hieß Karl Liebknecht, der bei der Proklamation der sozialistischen deutschen Republik am 9. November 1918 auf dem Balkon des Schlossportals stand. Das nutzte zwar nichts, denn der SPDler Scheidemann hatte die Republik schon zwei Stunden zuvor vom Reichstag aus ausgerufen, so dass Liebknecht erfolglos blieb. Aber seither hieß das Portal „Liebknechtportal“ und wurde so gerettet.
In Teilen jedenfalls. Und weil wie im Märchen nichts ist, wie es scheint, sehen wir also hier eine Kopie. 1962/63, der Ostberliner Architekt Roland Korn zog das neue Staatsratsgebäude hoch, vergaßen die sozialistischen Staatsoberen für einen Augenblick allen Hass auf feudale Dinge und erinnerten sich an das „große Erbe“. „Lasst uns doch im neuen Regierungsgebäude die heroischen Traditionen der revolutionären Vergangenheit mit einbeziehen“, sagten sie damals. Als Überwindung und Neubeginn sozusagen.
Gesagt, getan. Der Architekt Korn baute das „Liebknechtportal“ nach, fügte es als feudal-revolutionäre „Translotion“ in den ganz modernen Staatsrat ein. Alt und neu im Dialog oder „Anything goes“ würde man auf postmodern sagen.
Seither hat es Staatsräte kommen und gehen sehen. Auch ein Bundeskanzler hatte kurzzeitig hinter den Portaltüren sein Büro. Jetzt ist das Haus kein Staatsrat mehr, weil die Geschichte diesen hinweggefegt hat, sondern wird eine Manager-Universität. Wenn das Märchen vom Wiederaufbau vom Stadtschloss wahr werden sollte – was keiner glauben mag –, dann könnte das Schlossportal IV wieder an alter Stelle eingebaut werden. Aber das ist ein Märchen. ROLF LAUTENSCHLÄGER
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