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Schatzsuche für Hobby-Archäologen

FREIZEITBILDUNG Archäologe Ullrich Masemann gründet Archäologieschule auf dem Gelände der Wildnisschule Wildeshausen. In dreitätigen Camps können Erwachsene und Kinder nachgebaute Gräber ausheben

Noch mehr Wildnis

■ Die Wildnisschule Wildeshausen lädt am 10. Mai von 11 bis 17 Uhr zum Tag der Offenen Tür ein. Es gibt Vorträge über die Arbeit, Workshops für Erwachsene und für Kinder Seilbahnfahren, Klettern und Bogenschießen. Für das leibliche Wohl wird mit Stockbrot und Wildnisbüffet gesorgt. Anfahrt siehe www.wildnisschule.de.

Vater-Kind Wildniscamp: Vom 13. bis 16. Juli findet in der Wildnisschule ein Camp für Väter und Kinder statt. Geschlafen wird in Tipis und gelebt mitten im Wald. Neben dem Umgang mit dem Messer steht Feuermachen, Stockkampf, Bogenschießen, Anschleichspiele, Klettern u.v.m. auf dem Programm. Kosten: 333 € für 1 Vater mit 1 Kind / 65 € für jedes weitere Kind. Anmeldung: VHS-Bremen, Kursnummer: 95-150-M, Tel: 0421/361-3657

Mutter-Kind Wildniscamp: Vom 24. bis 26. Juli findet dasselbe Camp für Mütter mit Kindern statt. Kosten: 208 € für 1 Mutter mit 1 Kind / 41 € für jedes weitere Kind Anmeldung: Wildnisschule Wildeshausen: info@wildnisschule.de oder Tel: 042 44/ 96 62 24

VON CHRISTINE SPIESS

Prinzhöfte klingt nicht nur märchenhaft, es liegt auch richtig verwunschen, in einer Landschaft von ganz eigenem norddeutschen Reiz: einsam und hügelig im Naturpark Wildeshauser Geest an der Delme, die sich durch einen Kiefernmischwald schlängelt. Hier will sich der Hamburger Archäologe Ullrich Masemann seinen Traum von einer Archäologieschule erfüllen und Jugendlichen und an Archäologie interessierten Erwachsenen die Chance bieten, in einem Grabungscamp ganz professionell zu lernen, wie Archäologen arbeiten. Er möchte Begeisterung für Archäologie wecken.

Also beginnt so ein Camp mit einer Art Schatzsuche. Die Teilnehmer ziehen am Morgen los mit Schaufel und Spaten, um zu entdecken, wo zum Beispiel ein steinzeitliches Grab zu finden ist. Das Grab ist nicht echt. Masemann hat es zuvor nach einem Beispiel aus der Forschung präpariert: komplett mit einem nachgebildeten Skelett und den entsprechenden Beigaben wie Flintbeilen, Muschelketten, Tongefäßen mit Nahrungsresten.

Die Ruhestätte hat er dann wieder geschlossen und mit hellem, gelbem Sand abgedeckt, so dass es nicht zu sehen ist. Die Teilnehmer schaufeln dann, eben wie richtige Archäologen, die ganze Fläche ab, bis sie auf das Grab stoßen und es freizulegen beginnen. Es wird fotografiert und vermessen, mit Spatel und Pinsel werden die Grabproben langsam herausgenommen, zuerst die höher liegenden, zum Beispiel große Tongefäße. Die Hobbyforscher erlernen dabei die Methoden, mit denen man solche Gefäße bergen und untersuchen kann.

Für diese Grabungsarbeit brauchen die Teilnehmer Neugier, Geduld und ein beinahe kriminalistisches Interesse, zum Beispiel wenn sie auf ein Scherbennest stoßen, einen Haufen Scherben, die sie sorgsam freilegen, fotografieren, zeichnen, herausnehmen – und am Ende wie ein 3-D-Puzzle zusammensetzen und datieren.

Ein Prozess, der Geduld und Detailwahrnehmung enorm schult, weiß Masemann, der ähnliche Projekte schon seit Jahren in Hamburger Schulen durchführt.

Prinzhöfte ist für eine Archäologieschule ganz besonders geeignet: Die Wildeshauser Geest mit ihren bedeutenden Funden von der Stein- bis zur Eisenzeit ist ohnehin ein El Dorado für Archäologen. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es eine solche Konzentration von Großsteingräbern der Megalithkultur, zum Beispiel die Gräber in Kleinenkneten, deren Grabkammern nicht nur Kinder gerne erkunden. Ganz in der Nähe liegt auch das Pestruper Gräberfeld, ein eindrucksvoller, bezaubernder Ort. Mit seinen 650 Hügelgräbern ist es das größte in Mitteleuropa noch erhaltene Gräberfeld dieser Epoche. Da liegt es auf der Hand, dass Exkursionen zu den archäologischen Denkmälern das Lernen im Ausgrabungscamp abrunden.

Der Eindruck der Großsteingräber und die konkrete archäologische Arbeit soll, erklärt Ullrich Masemann, den Camp-Teilnehmern deutlich machen, wie wichtig es ist, dass Fundzusammenhänge nicht zerstört werden, zum Beispiel durch Grabräuber, die mit ihren Metalldetektoren interessante Gebiete abgrasen und Metallteile herausholen. „Durch die Ausgrabung an nachgestellten Gräbern sehen die Kinder, was an Wissen zerstört würde, wenn ein Teil fehlen würde.“ Gerade die Metallteile sagten viel über Handel, Technik, Transport und Reichtum der Leute aus. „Deshalb ist es wichtig, dass diese historische Quelle möglichst komplett ausgegraben wird.“

In den präparierten Gräbern liegen Flintsteine, Tongefäße mit Nahrungsresten und nachgebildete Skelette

Prinzhöfte ist aber noch aus einem anderen Grund besonders für das Projekt einer Archäologieschule geeignet. Dort gibt es schon seit vielen Jahren eine Wildnisschule, in der Kinder und Erwachsene im Rahmen von Projekten naturnah leben und manch verloren gegangenes Wissen der Vorfahren für sich selbst wieder entdecken: Schlafen in Tipis, Kräuter sammeln, schnitzen und klettern, mit Feuersteinen Feuer machen oder Nachtwandern. Myriam Kentrup, Biologin und Wildnispädagogin an der Wildnisschule, ist sehr glücklich über die Kooperation mit dem Archäologen Masemann, denn Archäologie habe bisher in ihrem Angebot gefehlt und passe doch geradezu exzellent in die Region der Wildeshauser Geest. Durch die Zusammenarbeit wird die im engen Sinn archäologische Arbeit ergänzt: Die Teilnehmer können archäologische Repliken selbst herstellen, sie üben mit Pfeil und Bogen zu schießen und erlernen andere Wildnisfertigkeiten wie das Überqueren der Delme ohne Seil. Sie leben gemeinsam draußen und übernachten in Tipis. Bekocht allerdings werden sie von einer Köchin.

Die ersten archäologischen Camps gibt es ab Mitte Juli 2009. Den Organisatoren der Wildnisschule ist dabei wichtig, dass es sich nicht um eine Ferienbetreuung für Kinder handelt, sondern um ein Familienangebot, um die eigene Geschichte und die eigene Landschaft gemeinsam zu entdecken. Ein Erwachsener, egal ob Vater, Großmutter oder Patentante, muss deshalb mit den Kindern zusammen das Ausgrabungscamp besuchen. Als Erinnerung an die Ausgrabung kann jeder am Ende die Replik einer Grabbeilage mit nach Hause nehmen.

Es gibt vier Familien-Camps. Termine: 18. bis 20. Juli, 21. bis 23. Juli, 24. bis 26. Juli und 27. bis 31. Juli. Kosten pro Tag Erwachsene 45 Euro, Kinder 35 Euro. Infos: www.wildnisschule.de/familie.html oder www.terrafakt.de

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