INA MENZER, FRISCHE BOX-IKONE: Zum Glänzen verdammt
■ Neu-Hamburgerin, bekam in Kasachstan die „Bremer Stadtmusikanten“ auf russisch vorgelesen. Foto: dpa
Eigentlich sind die Bremer bescheidene Leute, aber wenn sie auf etwas stolz sind, dann richtig. Nachdem die Boxerin Ina Menzer letzte Woche den Bürgermeister Jens Böhrnsen im Rathaus besuchte, dürften ihr noch nachts die Lobgesänge der Mitarbeiter in den Ohren geklingelt haben: „Güldenkammer, einmalig, Jugendstil, einzigartig, Vogeler, sensationell …“ Vor Ort lächelte sie mild über diesen leicht bornierten Lokalpatriotismus hinweg, der in der Frage eines Reporters gipfelte: „Haben Sie so was schon in Ihrem Leben gesehen?“ Nein, gab sie höflich zurück, dafür habe man ihr als Kind in der kasachischen Kolchose die Stadtmusikanten auf russisch vorgelesen. Auch so kann man Bremer glücklich machen.
Ina Menzer erfüllte in der mit PR-Terminen voll gestopften Woche vor ihrem Kampf am Samstag ihre Rolle als neues Zugpferd des deutschen Frauenboxens perfekt. Nach dem Rücktritt von Dauer-Rednerin Regina Halmich setzt die Neu-Ikone Menzer auf den Dreiklang von Boxkunst, Charme und Intelligenz. Die jetzige Boxer-Generation ist gespickt mit klugen, weltoffenen, meist aus Osteuropa stammenden Akteuren. Wie die Neu-Hamburgerin Menzer, die noch immer in Mönchengladbach, wo sie die meiste Zeit ihres Lebens verbracht hat, für BWL immatrikuliert ist.
Klug führte die Doppelweltmeisterin auch ihren Kampf am Samstag gegen die Herausforderin Franchesca Alcanter aus den USA. Ohne einen einzigen Treffer zu kassieren, verteidigte sie mit einer taktischen Meisterleistung ihre WM-Titel im Federgewicht. Das war nicht spektakulär, aber effektiv. Und sparte Kraft für das andere Terrain, auf dem Boxweltmeisterinnen zum Glänzen verdammt sind: die Showbühne. „An der Popularität ist noch einiges zu machen, das ist mein Ziel“, sagt Menzer, der auf dem sportlichen Feld langsam die Gegnerinnen ausgehen. RALF LORENZEN
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