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Verfolgungsjagd mit Kanzler

Es geht nicht nur um Geld. Die Studierenden wollen auch eine Viertelparität in den Uni-Gremien. Vor ihnen hat das noch jeder streikende Student gefordert. Die Chancen heute stehen nicht besser

von GRIT EGGERICHS

Der Kanzler der Freien Universität (FU), Peter Lange, lieferte sich am Mittwoch eine Verfolgungsjagd mit Studierenden. Das kam so: Bei der letzten Sitzung des Akademischen Senats der FU sollte entschieden werden, welche Fachbereiche geschlossen werden und welche Professuren wegfallen. Diese Tagesordnungspunkte lockten viele Studierende an. Der Sitzung beizuwohnen wurde den wenigsten erlaubt. Der große Rest machte vor dem Saal Lärm, bis die Professoren entschieden, die Sitzung an einem anderen Ort fortzusetzen. FU-Kanzler Lange lud drei teilnahmeberechtigte Studenten in sein Auto und fuhr los, immer auf der Flucht vor studentischen Verfolgern.

„Wie viel Angst vor der Öffentlichkeit muss man haben, um so was abzuziehen?“, fragt Ralf Hoffrogge, Asta-Vorsitzender der Freien Universität. Die Ereignisse sind für ihn Ausdruck der ständischen Uni-Struktur.

Demokratischere Verhältnisse forderten Studierende der FU schon vor über 30 Jahren. Mit dem Erfolg, dass die umfassende Macht der Professoren zunächst abgeschafft wurde. Das geschah in einer Zeit und einem politischen Klima, als Willy Brandt in der alten Bundesrepublik „mehr Demokratie“ wagen wollte.

Die Mehrheit in den Entscheidungsgremien der Uni sicherte den Professoren allerdings bald darauf ein Verfassungsgerichtsurteil. 1973 befand es, dass die Professorenschaft in allen Fragen der Forschung und Lehre die absolute Mehrheit haben müsse. Und so hat die Professorenschaft im Senat der FU 13 Stimmen, die Studierenden nur 4. Jede Streikresolution seit 1973 enthält die Forderung nach einer Viertelparität. So auch jetzt. Das hieße: alle Gruppen der Uni (Studierende, ProfessorInnen, akademische MitarbeiterInnen und weiteres Personal, etwa aus der Verwaltung) hätten gleiche Stimmanteile in den Gremien.

Und wer ist immer wieder gegen die Parität? Klar, die Fraktion mit den meisten Stimmrechten. Kurt Kutzler, Präsident der Technischen Universität (TU), beruft sich auf das Urteil von 1973: „Wir sind durch das Grundgesetz abgesichert.“ Mit der Nachfrage, ob die Professorenmehrheit demokratisch sei, möchte er sich „nicht aufs Glatteis führen lassen“, sagte Kutzler der taz.

Der stellvertretende Asta-Vorsitzende der TU Martin Hofmann hat mit Glatteis kein Problem: „Die Viertelparität ist die Forderung unserer Resolution, die sich noch am ehesten durchsetzen lässt“, erklärt er. Denn dem Berliner Senat sei es egal, wie die Entscheidungsprozesse laufen. Das Eis, auf dem Hofmann argumentiert, scheint allerdings eher dünn. Zwar steht das Berliner Hochschulgesetz vor einer Novellierung im nächsten Jahr. Doch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht steht nicht bevor und hätte auch keine Erfolgsaussichten.

Die Novelle des Hochschulgesetzes wird sich darauf beschränken, Grundlagengremien vorzuschreiben, die an jeder Uni über „die zukünftige Gestaltung der Leitungs- und Gremienstruktur“ entscheiden dürfen. So steht es auch im Koalitionsvertrag. Und: diese Kommission soll paritätisch besetzt werden.

Famos: Könnte sie dann nicht eine günstigere Sitzverteilung in den Entscheidungsgremien beschließen? Die Antwort lautet: Nein. Denn auch hier kommt man am 73er Urteil nicht vorbei. „Daran gibt es nichts zu deuteln“, sagt Brigitte Reich aus der Wissenschaftsverwaltung.

Ralf Hoffrogge, Asta-Vorsitzender und Fahrgast im Kanzlerwagen, ist selbstverständlich anderer Meinung: Er zweifelt am Bestand des Urteils, „wenn es durchgeklagt wird“. Die Forderung nach Viertelparität sei auch deshalb alles andere als unrealistisch, weil sie bereits „eine Anerkennung feudaler Privilegien“ darstelle – angesichts eines Verhältnis von 490 Professoren zu 42.700 Studierenden. In Prozent: 1 zu 84.

Die Senatssitzung am Mittwoch musste schließlich ganz ausfallen. „Weil es keinen Ort gab, wo noch keine Studenten warteten“, erklärt Ralf Hoffrogge nach der Irrfahrt mit dem Kanzler. Der Senat ist zwar nicht paritätisch besetzt und wird es wohl auch in Zukunft nicht sein. Seine Sitzungen sind genau genommen aber öffentlich.

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