: „Kapitulation vor der falschen Philosophie“
Wilhelm Hankel, Expräsident der Hessischen Landesbank, hält die EU-Auflagen für die Berliner Bankgesellschaft für „sehr kurzsichtig“. Hier werde ein Banksystem zerschlagen, das auch für Gemeinnützigkeit und Strukturaufgaben stand
taz: Herr Hankel, wird die Bankgesellschaft zerschlagen?
Wilhelm Hankel: Der Bankgesellschaft droht dasselbe Schicksal wie den deutschen Sparkassen. EU-Kommissar Monti und der gemeinsame Markt zeigen jetzt ihr wahres Gesicht. Er kennt nur ein Gesetz, das des ungezügelten Wettbewerbs, er ist völlig blind gegenüber den strukturellen Problemen einzelner Regionen wie auch einer Großstadtregion, wie der Berlins.
Hat die Bankgesellschaft nach Monti noch eine Überlebenschance?
Der Kern, die Berliner Bank, ist lebensfähig. Ob dies auch für die Dachkonstruktion, also die restliche Bankgesellschaft, gilt, ist dagegen sehr zweifelhaft.
Warum spielen die Bundesregierung und der Berliner Senat eigentlich mit?
Es ist mir rätselhaft, warum die Regierungen diese Auflagen gegen Bankgesellschaft und Sparkassen klaglos hinnehmen, denn hier wird ein Banksystem zerschlagen, das zum Glück nie auf den Shareholder-Value gehört hat, sondern welches auch für Gemeinnützigkeit und Strukturaufgaben stand. Dieses alles aufgrund einer Wettbewerbsphilosophie zu zerschlagen, geht an den wirklichen sozialen und strukturellen Problemen der Regionen, aber auch Europas vorbei. Ich halte das für sehr kurzsichtig. Gegenüber Brüssel wäre der Mut des Senats für einen eigenen Standpunkt gefragt gewesen statt einer Kapitulation vor einer falschen Philosophie.
Zahlt am Ende doch wieder Berlin und damit die Berliner Steuerzahler?
Die Fehler der Manager darf eigentlich nicht die Öffentlichkeit ausbaden müssen. Berlin hat den Fehler gemacht, den Bankmanagern freie Hand zu lassen. Schuld ist allerdings auch die Bankenaufsicht. Berlin und der jetzige Senat zahlen nun für die Sünden der Vergangenheit. Wahrscheinlich werden durch die Monti-Auflagen die Kosten für das Land noch höher, denn aus den bisherigen Buchverlusten werden dadurch effektive Verluste – und die müssen bezahlt werden. Synergie-Effekte innerhalb der Bankgesellschaft fallen zukünftig weg und Verkäufe dieser Art führen zu Verlustgeschäften.
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