ITALIEN: FALSCHE EURODATEN WAREN IN ORDNUNG. DAS IST VORBEI: Weitsicht, Nachsicht, Vorsicht, Aufsicht
Ist Italien ein zweites Griechenland? Durfte das Land nur dank jahrelanger Schummeleien bei den Haushaltszahlen in die Eurozone? Das behauptet momentan niemand. Dass Italien Probleme mit seiner Staatsverschuldung hat, war von Anfang an bekannt. Es war aus politischer Weitsicht geborene Nachsicht der anderen EU-Partner, die dem Land den Einstieg beim Euro ermöglichte. Das zentrale Kriterium, der Gesamtschuldenbestand des Staates, wurde für Italien suspendiert – wie übrigens für Belgien auch. Den anderen reichten die enormen Sparanstrengungen seit 1997, um Italien zum Euroland werden zu lassen.
Zur Nachsicht von gestern gehört aber auch die besondere Vorsicht von heute. Schließlich ist der Stabilitätspakt das organisierte wechselseitige Misstrauen: Jeder der Eurostaaten hat Angst, der andere könnte das schöne gemeinsame Geld mit Schuldenmacherei entwerten. Italien steht da mit seinem Schuldenberg von 106 Prozent des Bruttoinlandsprodukts unter Spezialverdacht. Und das Land muss sich zu Recht vorwerfen lassen, seine Bücher nicht in Ordnung zu haben. Regelmäßig liefern Schatzministerium, Statistisches Amt und Banca d’Italia stark abweichende Zahlen zur jährlichen Schuldenaufnahme des Staates.
Das Problem hat Italien seit Jahren. Für einen gezielten Plan spricht nichts; gewiss aber ist die mangelnde Transparenz den Regierenden in Rom nicht unwillkommen. Wo sie selbst nicht durchblicken, kann auch die EU-Kommission wenig ausrichten. Berlusconi hält es da nicht anders als seine Vorgänger aus den Reihen der heutigen Opposition. Dennoch hat Berlusconi jetzt dafür gesorgt, dass aus der Brüsseler Vorsicht verstärkte Aufsicht wird: Er muss sich vorrechnen lassen, dass seine für 2005 geplante Steuersenkung durch Luftbuchungen gegenfinanziert ist – und dass deshalb Italien riskiert, die magische Schwelle von drei Prozent des BIP bei der Neuverschuldung zu überschreiten.
Berlusconi selbst weiß nur zu gut, dass diese Steuersenkung Italien ökonomisch nichts nützt. Jetzt hat er auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass sie dem Land schadet. MICHAEL BRAUN
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