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Der Geschmacksentwickler

Jeden Tag liefert der Bielefelder Bio-Caterer „Emilio“ knapp 400 Kindern und ihren ErzieherInnen das Mittagessen in Schulen und Kindergärten

Das Messer schnellt nieder. Einmal. Zweimal. Spitze und Ende der Möhre kullern zur Seite. Geübt schält Wolfram Halfar das Gemüse und schneidet es in große Stücke. Heute stehen nur Mini-Portionen auf dem Speiseplan des Bio-Caterers. Die Fakultät für Geschichte der Universität Bielefeld hat für diesen Samstag ein Buffet für 30 Personen bestellt. Ein Klacks – wochentags versorgt Halfars Unternehmen „Emilio“ jeden Mittag knapp 400 Menschen mit Essen. Dann wird in der Großküche in Bielefeld-Sennstadt vor allem für Kleine gekocht. „Emilio“ versorgt rund 30 Kindergärten, Ganztagsgrundschulen und Kindergruppen.

Ab sechs Uhr morgens schwingen Halfar, ein Koch und zwei Mitarbeiterinnen die Messer, waschen und putzen Gemüse, bereiten Salat, schichten Aufläufe, pürieren Suppen, brutzeln Gemüsepfannen, backen Brot, kochen Pudding. Fleisch? Fehlanzeige. Halfar ist überzeugter Vegetarier. „Kein Fleisch, kein Fisch, kein Geflügel“, lautet seit 25 Jahren das Motto des 49-Jährigen. Damals gab es kaum Leute, die vegetarisch kochten, erzählt er. Viel habe er sich in den USA abgeschaut. Wieder in Deutschland, musste zunächst seine WG probeessen, dann tischte er seine Kreationen im eigenen vegetarischen Restaurant auf. Seit 1999 macht er ausschließlich Catering.

Geblieben ist das Ausprobieren. „Bioware ist nicht normiert“, sagt Haflar. Das Wetter spiele eine große Rolle. Mehl sei zum Beispiel mal trockener, mal feuchter. Entsprechend unterschiedlich müsse es verarbeitet werden. Schließlich soll es gut schmecken. Denn vor allem seine kleine Kunden sind kritisch.

Kinder sind buchstäblich Feinschmecker. Während ein Säugling rund 10.000 Geschmacksknospen auf der Zunge hat, sind es bei einem Erwachsenen nur noch etwa 2.000. Mit steigendem Alter nehmen wir vor allem Salziges und Bitteres schwächer wahr.

Doch bei „Emilio“ kommt nicht nur weniger Salz ans Kinderessen, auch mit anderen Gewürzen wird gegeizt. „Geschmack muss das Gemüse selber haben“, sagt Halfar. Geschmacksverstärker und Farbstoffe sind tabu. Die Kinder lernen so, verschiedene Geschmacksnuancen wahrzunehmen, ihr Geschmacksinn entwickelt sich. Die beste Voraussetzung für eine gesunde Ernährung, betonen Experten.

Die Historiker haben heute keine Sonderwünsche. Halfar füllt die Möhrenstücke und einige Apfelviertel in eine große Raspelmaschine. Dann gibt er noch etwas Zitronensaft und Öl auf das zerkleinerte Gemüse – fertig ist der Salat. MARTINA JANNING

www.emilio-vegetarischekueche.de www.projekt-mahlzeit.de

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