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Steffen GrimbergDie stille, heilige Geburt von Sat.1

Vor 20 Jahren wurde der Privatsender Sat.1 ins Leben gerufen. Was sich damals wirklich begab, ist beinahe eine TV-Weinachtsgeschichte

Es muss eine merkwürdige Stimmung gewesen sein im viel besungenen Keller von Ludwigshafen am Rhein. Hier stand gewissermaßen die Krippe des deutschen Privatfernsehens. Und Ochs, Esel, der gute Hirte und der heilige Dreikönig – alle waren sie schon da.

Wer nun den Ochs und wer den Esel gab, muss Geheimnis dieser Weihnachtsgeschichte bleiben. Denn weil die Geburt nun mal nicht 2000, sondern am Donnerstag dieser Woche gerade mal 20 Jahre her ist, gibt es die Akteure noch. Der gute Hirte aber hieß Jürgen Doetz. Und heißt so immer noch. Hat alle Stürme überstanden und als Sendergeschäftsführer sogar den ehemaligen ZDF-Langzeitintendanten Dieter Stolte überholt. Den heiligen Dreikönig riefen sie indessen schlicht Leo. Und Leo Kirch hatte kein Gold mit, dafür Spielfilme, US-Serien und Karajan-Opern.

Damit ließ sich Programm machen. Aber Leo kam anfangs gar nicht durch die Masse der dummen Schafe durch, die sich da um die Krippe drängten. Einfach wegscheuchen ging nicht, man brauchte die Herde – genauer: ihr Geld. Die Schafe waren nämlich die rund 120 Zeitungsverleger, die sich an der freudigen Geburt des Privatfernsehens beteiligt hatten und nun gar nicht begeistert blökten, als für König Leo der Weg gebahnt wurde. Denn sie hatten das mit den Heiligen Drei Königen in der älteren Geschichte missverstanden. Die schleppten zwar zugegebener Maßen eher unbrauchbares Zeug an – dies aber als Geschenk. Leo dagegen brachte Brauchbares, wollte aber nicht nur Dank, sondern auch noch viel Geld.

Und so zahlten die Schafe brav ein, und Ochs und Esel und der gute Hirte beruhigten die Herde und freuten sich wie Bolle, dass es überhaupt los ging. Der heilige Dreikönig kehrte indes schwer beladen in seine Heimat München zurück, ging fortan jeden Sonntag zur Messe in die Frauenkirche und legte 18 Jahre später eine formidable Pleite hin.

Doch da hatten sich zu dem einen kleinen, zarten Sender, der am 1. Januar 1984 als erster privates Fernsehen für Deutschland machte, schon ein Dutzend weiterer gesellt. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Nächste Woche: Wer waren Maria und Josef bei der Geburt von Sat.1?

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