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IG Farben will ihre Konten füllen

Ehemaliger Anwalt von Zwangsarbeitern soll für die Chemiefirma der Nazizeit das Restvermögen aus der Schweiz holen. Dabei verweigert sie bis heute die Entschädigung

FRANKFURT taz ■ „We are only in for the money!“ Frank Zappas zynisches Bekenntnis zum hemmungslosen Kapitalismus ist offensichtlich das Motto des Opfer- und Katastrophenadvokaten Ed Fagan (49): Für die IG Farben in Abwicklung – die Nachfolgegesellschaft der IG Farben – will er jetzt eine Schweizer Großbank um rund 2 Milliarden Euro erleichtern.

Der US-amerikanische Staranwalt vertrat schon Hinterbliebene des Holocaust und ehemalige Zwangsarbeiter erfolgreich. Im Salzburger Schadenersatzprozess setzte er sich für die Angehörigen der Opfer des Seilbahnunglücks von Kaprun ein. Derzeit bereitet er für südafrikanische Opferverbände Sammelklagen gegen europäische Großunternehmen und Banken vor. Er wirft ihnen vor, die Politik der Rassentrennung der ehemaligen weißen Regierungen in Pretoria unterstützt und Schwarze in ihren Niederlassungen am Kap unterdrückt zu haben.

Jetzt versucht der smarte Jurist, der lokalen Anwälten von Katastrophenopfern die Mandanten schon mal „auf Werbeveranstaltungen abschwätzt“ (Spiegel 27/2002), von der schweizerischen Großbank UBS rund 2,2 Milliarden Euro einzuklagen: Ausgerechnet für die insolvente IG Farben in Abwicklung, die sich über Jahrzehnte hinweg weigerte, mit ihrem Restvermögen die Überlebenden der Zwangsarbeit in den Werken der IG Farben zu entschädigen.

Fagan handele im Auftrag „einiger raffgieriger Aktionäre der IG Farben in Abwicklung“, hinter denen die Liquidatoren der Firma, der Bundestagsabgeordnete Otto Bernhardt (CDU) und der Rechtsanwalt Volker Pollehn, stünden. Das jedenfalls behauptet der Dachverband der kritischen Aktionäre in einer Presseerklärung. In der wird der Ehrenpräsident des Internationalen Auschwitzkomitees, Kurt Goldstein, mit den Worten zitiert, dass das Geld – sollte demnächst tatsächlich eine Zahlungsverpflichtung der UBS gerichtsfest belegt werden können – „nicht den Aktionären, sondern den früheren Arbeitssklaven zusteht“.

Bei den mehr als 2 Milliarden Euro handelt es sich um das Vermögen der Firma Interhandel, die nach dem Krieg aus den Niederlassungen der IG Farben in der Schweiz hervorging. Die Schweizer Bankgesellschaft schluckte die Interhandel 1967; und die Schweizer Bankgesellschaft ging in den 90er-Jahren in der UBS auf. Immer wieder hatten die Liquidatoren der IG Farben in Abwicklung auf den Hauptversammlungen der obskuren Firma angekündigt, das Vermögen der Interhandel zurück auf die Konten der Gesellschaft holen zu wollen.

Ein erster zaghafter Versuch scheiterte allerdings kläglich. Die Klage der IG Farben in Abwicklung wurde in der Schweiz nicht zugelassen. Jetzt soll es also Ed Fagan für die Blutaktienfirma richten. Vor den Toren der renommierten Großbanken in Zürich stand Fagan schon einmal. Auf einer improvisierten Pressekonferenz auf der Straße klagte er reißerisch die Beteiligung von Schweizer Großbanken an der Ausbeutung und Unterdrückung von Schwarzen in Südafrika an – und bezog dafür Prügel von aufgebrachten Passanten.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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