: Das Saudi-Arabien des Windes
WINDENERGIE Aufbruch in den USA: Nach dem Installationsboom 2008 lösen die Staaten Deutschland als Windkraft-Weltmeister ab. Trotzdem fehlt politischer Rahmen
AUS CHICAGO ADRIENNE WOLTERSDORF
Seitdem aus Washington mit US-Präsident Barack Obama ein anderer Wind weht, ist die Windkraft zusammen mit Solar- und anderen erneuerbaren Energien der Renner in den USA. „21.000 Besucher, das ist absoluter Rekord,“ freute sich Denise Bode, Vorsitzender des US-Windenergieverbands AWEA. Der Verband hatte zur Messe Windpower 2009 nach Chicago geladen – und über 1.000 Aussteller aus 47 Ländern kamen bis zum Mittwoch. Vor allem aus Deutschland, Dänemark und China strömten die Aussteller: Die USA gelten als das „Saudi-Arabien des Windes“.
Die Zahlen sprechen für sich: Ende 2008 überholten die USA mit neu installierten 8.358 Megawatt erstmalig Deutschland als „Weltmeister der Windenergie“. 22 Prozent der Weltwindenergiekapazitäten stehen nun in den USA, in Deutschland sind es 20 Prozent. Allein im vierten Quartal brachte die US-Industrie – Hauptlieferanten General Electric GE und die dänische Vestas – 4.112 Megawatt ans Netz. Das war mehr als in jedem Gesamtjahr vor 2007. Die neuen Windenergiekapazitäten kompensieren rund 44 Millionen Tonnen Kohlendioxid, was einer Eliminierung von rund sieben Millionen US-Autos entspricht.
Ein Aufbruch, der einer ignoranten Klientelpolitik folgt, die bis dato ausschließlich die Interessen der Kohleindustrie vertrat. „Wir haben hier in Amerika zurzeit eine sehr günstige Kombination von staatlichen Anreizen,“ erklärt Ralf Sigrist, Chef der pünktlich zur Messe eröffneten US-Filiale des Windkraftherstellers Nordex aus Rostock. Mit einem durch Obama geförderten Mix aus Konjunkturanreizen, Steuersparmodellen und baren Investitionshilfen „fördert die US-Regierung den Energiesektor sehr breit.“ Bis zu knapp 50 Prozent kann ein Wind-Investor sich auf diese Weise aus der Staatskasse finanzieren lassen. Nordex plant, rund 100 Millionen US-Dollar in den neuen Standort zu investieren, trotz Krise und manch politischer Unwägbarkeit. So verhandelt der Kongress etwa über die Vorlagen für ein Klimagesetz. Tauziehen gibt es auch um ein Emissionshandelsgesetz und ein Transportgesetz – die heftigen Widerstand verschiedener Interessengruppen hervorrufen. Hinzu kommt ein hoffnungslos veraltetes, in drei regionale Netze fragmentiertes Stromnetz, das der machtlosen US-Bundesregierung noch erhebliche Kopfschmerzen bereiten wird. Allein in Texas können gegenwärtig 300 Gigawattstunden „sauberer“ Energie nicht eingespeist werden, weil es Staus im veralteten Stromnetz gibt.
Zur Windmesse nach Chicago gereist kamen auch Gouverneure und Minister, die sich einen blaugrünen Sticker ans Revers hefteten: „RES Yes“ stand darauf, was so viel heißt wie „Nationale Standards für erneuerbare Energien jetzt!“. Denn bislang haben nur 26 US-Bundesstaaten einen künftig verpflichtenden Energiemix festgelegt, davon meist 15 bis 20 Prozent Erneuerbare.
Der Windverband AWEA will den überwältigenden Messeerfolg nun für Druck in Washington nutzen. „Wir brauchen dringend einen verpflichtenden landesweiten Portfoliostandard“, sagte Denise Bode. Nur so könne die Windindustrie Planungssicherheit erhalten.
„Wir sind nicht zu vertrauensvoll“, erklärte auch Andreas Nauen, Chef der Wind-Projekte beim Siemens-Konzern, „die USA sind schlicht einer der größten Windmärkte der Zukunft.“ Auch Nauen konnte in Chicago eine Neuinvestition feiern: Noch 2009 will Siemens mit dem Bau einer Fabrik für Windkraftgondeln in Kansas beginnen.
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