PETER UNFRIED NEUE ÖKOS: Vertragsbruch mit der Luftmatratze
Wie spricht man mit Kindern über Ökokonsum? Indem wir unser Projekt zu ihrem machen
Anfangs war die große Frage, ob und wie man mit den Kindern „darüber“ sprechen sollte. Darüber, dass wir neue Ökos geworden waren. Das heißt: den Ökofaktor in unseren Lebensstil und Konsum integrieren wollten. Würden die das doof finden, würden ihre Freunde sie hänseln, vor allem: Würde sie das unglücklich machen? Die Sorge habe ich nicht mehr.
Dafür andere Sorgen. Zum Beispiel muss ich den Kindern den Mund zuhalten, wenn unsere Freunde in großen Autos angefahren kommen. Sonst thematisieren sie noch vor der Begrüßung deren CO2-Emission. Das klingt aus dem Mund eines Achtjährigen ganz lustig. Trotzdem: So viel Freunde haben wir dann auch wieder nicht.
Al Gore hat das individuelle und zivilgesellschaftliche Handeln in Sachen Klimawandel und Energiewende als Verantwortung gegenüber unseren Kindern beschworen. Dieser Pathos war mir lange suspekt und kulturell fremd. Trotzdem waren die Kinder auch mein Einstieg in das neue Ökotum.
Ich sorgte mich nie wirklich um die zukünftige Welt von Millionen afrikanischer Kinder, aber ich merkte eines Tages, dass ich mich tatsächlich um meine Kinder sorgte. Kriegen sie einen Job, leben sie in einem schönen Haus? Solche Dinge. Und dann eines Tages eben auch: Womit sollen sie eigentlich mal ihr schönes Haus heizen?
Es dauert nicht sehr lange, bis einem klar wird, dass man für die Zukunft seiner Kinder nicht sorgen kann, wenn man sich nicht auch um die anderen Kinder sorgt. Es reicht nicht, ihnen eine Wohnung oder 1 Million Euro zu vererben, wenn vor ihrem Haus eine Million Klimaflüchtlinge campieren. Oder krepieren. Es hilft nichts: Wer tatsächlich für seine Kinder sorgen will, darf sein konsumistisch-kapitalistisches Privatbesitzdenken erweitern und sich um die Gemeinschaftsgüter kümmern, etwa um die Schule und definitiv um die Energieversorgung der Zukunft.
Es reicht also nicht, dass man verantwortungsbewusst einkauft. Aber es geht vor allem nicht, ohne dass man das macht. Verantwortungsbewusster Konsum ist der Anfang einer individuellen Veränderung. Und dadurch der Anfang einer gesellschaftlichen Bewegung, die darauf hinarbeitet, im Kapitalismus, aber jenseits der naturverarbeitenden Wirtschaft und der von ihr beherrschten Politik einen Weg zu finden, Luft, Wasser, Ökosysteme und damit die Welt von morgen zu bewahren.
Hätte nie gedacht, dass ich mal das Wort „bewahren“ verwende. Aber da Wachstum, wie wir es derzeit noch verstehen, das Auffressen der Schöpfung ist und ich davon ausgehen muss, dass ein Unternehmen die Umweltkosten „externalisiert“, also nicht bezahlt, also mich und meine Kinder bestiehlt, bin ich konservativ geworden.
Jedenfalls kauften wir im Urlaub spontan diese Luftmatratze für den Pool. 4.40 Euro. Für die Kinder. Damit die sich freuen. Das heißt also: Wir beteiligten uns am Diebstahl. An der Natur und denen, die sie für Cents produziert hatten. Das Material war sicher auch noch hochgiftig. Und dann war das blöde Ding nach fünf Minuten kaputt. Loch in der zentralen Luftkammer. Na ja, 4,40 Euro, hätte ich früher gedacht, holen wir uns halt noch eine. Heute sehe ich, wie die Matratze ohne Luft im Pool versinkt, und denke: Was für eine Scheiße! Das geht alles von unserem Planeten ab. Das Seltsame ist: Ich verzage nicht. Sondern sage: „Kinder, kommt mal her.“ Wenn sie dann da sind, spreche mit mit ihnen darüber. Es ist schließlich unser gemeinsames Projekt.
■ Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der taz Foto: Anja Weber
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