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Werder-Fan, wo guckst Du?

MASSENANDRANG Zum Kirchentag-Auftakt rechnet Bremen mit Hunderttausenden – und dann spielt Werder auch noch im Uefa-Cup-Finale. Das könnte heikel werden

Man wird in großen Dimension denken müssen: 2004 kamen 25.000 Werder-Fans zum Public Viewing

VON FELIX ZIMMERMANN

Der kommende Mittwoch könnte Bremens Innenstadt vor eine ihrer größten Belastungsproben stellen. Was genau passiert, kann noch niemand sagen, aber fest steht: Die Stadt wird voller Menschen sein, denn der Kirchentag erwartet zum Abend der Begegnung – einem Straßenfest zum Auftakt – nach neuesten Angaben 250.000 Besucher. Und dann spielt auch noch Werder Bremen im Uefa-Pokalfinale.

Das findet zwar fernab in Istanbul statt, aber Fans zu Hause wird es jede Menge geben. Öffentliches Zusehen – „Public Viewing“ – wäre selbstverständlich massentauglich auf dem Domshof auszurichten. Aber das geht just an diesem Tag nicht: Die Innenstadt wird fest in der Hand der Kirchentagsbesucher sein. Weil das Weser-Stadion wegen des Umbaus der Westtribüne gesperrt ist, suchen verschiedene Veranstalter derzeit einen ähnlich großen Platz, um daheim gebliebenen Werder-Gläubigen eine Heimat zu bieten.

Man wird in ganz großen Dimensionen denken müssen: Beim letzten Großerfolg, als Werder 2004 Deutscher Meister wurde, versammelten sich 25.000 vor den Leinwänden auf der Domsheide. Denkbar, dass als Ausweichquartier das Einkaufszentrum Waterfront – untergebracht im Gebäude des seligen Space-Park – mit seinen riesigen Parkplätzen Fan-Arena wird. Der Vorteil: weit genug weg vom Kirchentag und viel Platz, weil an der Waterfront für gewöhnlich wenig los ist.

Mit der Platzfindung ist es allerdings kompliziert, denn auch die Uefa muss zustimmen – Schriftzüge von Firmen etwa, die nicht Uefa-Sponsoren sind, dürfen nicht zu sehen sein. WM-Städte erinnern sich. Sollte kein tauglicher Platz gefunden werden, könnte es sogar ganz aus sein mit dem Public Viewing. Gestern zumindest war man bei einem der Veranstalter allenfalls vorsichtig optimistisch, was die Suche angeht.

Bremens Polizei äußerte sich dagegen entspannt angesichts dieses Zusammentreffens zweier Großereignisse. Anders wäre es, sagte ein Sprecher, wenn „leibhaftige Fangruppen zweier leibhaftig hier spielender Mannschaften ins Weser-Stadion wollten“. Bei der Genehmigung eines Public-Viewing-Platzes hat die Polizei mitzureden, am liebsten wäre ihr ein Ort draußen vor der Innenstadt, um Fußballfans und Kirchentagsbesucher nicht zusammen zu bringen. Es könnte ja sein, dass die Ereignisse in Istanbul hier eher Frust auslösen, wodurch der ganze Abend eine etwas delikate Wendung nehmen könnte, zumal beim Abend der Begegnung 150.000 Kerzen verteilt werden sollen, um die Stadt sakral auszuleuchten. Das kann nicht ungefährlich sein.

Das Polizeiaufgebot wird aber schon allein wegen der diffizilen Verkehrslenkung riesig sein. Und das wiederum könnte bei der kaum zu vermeidende Vermischung von Gott-Anhängern und Diegoisten nach Sieg oder Niederlage von Nachteil vor allem für die erste Gruppe sein: Polizisten hatten zuletzt nach Fußballspielen auf Straßen und Plätzen beherzt zugegriffen und mitunter auch Schaulustige abgeführt. Kirchentagsbesucher sollten sich also am kommenden Mittwoch vielleicht nicht zu lange in der Nähe von Menschen in Grün-Weiß aufhalten.

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